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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Geliebten,
    Bei der Stadt Jeruscholayim.
    Alte Juden, die vorbeigehn,
    Glauben dann gewiß, ich traure
    Ob dem Untergang des Tempels
    Und der Stadt Jeruscholayim.
    Caput XXI
    Argonauten ohne Schiff,
    Die zu Fuß gehn im Gebirge,
    Und anstatt des Goldnen Vlieses
    Nur ein Bärenfell erzielen –
    Ach! wir sind nur arme Teufel,
    Helden von modernem Zuschnitt,
    Und kein klassischer Poet
    Wird uns im Gesang verew’gen!
    Und wir haben doch erlitten
    Große Nöten! Welcher Regen
    Überfiel uns auf der Koppe,
    Wo kein Baum und kein Fiaker!
    Wolkenbruch! (Das Bruchband platzte.)
    Kübelweis’ stürzt’ es herunter!
    Jason ward gewiß auf Kolchis
    Nicht durchnäßt von solchem Sturzbad.
    »Einen Regenschirm! ich gebe
    Sechsunddreißig Könige
    Jetzt für einen Regenschirm!«
    Rief ich, und das Wasser troff.
    Sterbensmüde, sehr verdrießlich,
    Wie begoßne Pudel, kamen
    Wir in später Nacht zurück
    Nach der hohen Hexenhütte.
    Dort am lichten Feuerherde
    Saß Uraka, und sie kämmte
    Ihren großen, dicken Mops.
    Diesem gab sie schnell den Laufpaß,
    Um mit uns sich zu beschäft’gen.
    Sie bereitete mein Lager,
    Löste mir die Espardillen,
    Dieses unbequeme Fußzeug,
    Half mir beim Entkleiden, zog mir
    Auch die Hosen aus; sie klebten
    Mir am Beine, eng und treu,
    Wie die Freundschaft eines Tölpels.
    »Einen Schlafrock! Sechsunddreißig
    Könige für einen trocknen
    Schlafrock!« rief ich, und es dampfte
    Mir das nasse Hemd am Leibe.
    Fröstelnd, zähneklappernd stand ich
    Eine Weile an dem Herde.
    Wie betäubt vom Feuer sank ich
    Endlich nieder auf die Streu.
    Konnt nicht schlafen. Blinzelnd schaut ich
    Nach der Hex’, die am Kamin saß
    Und den Oberleib des Sohnes,
    Den sie ebenfalls entkleidet,
    Auf dem Schoß hielt. Ihr zur Seite,
    Aufrecht, stand der dicke Mops,
    Und in seinen Vorderpfoten
    Hielt er sehr geschickt ein Töpfchen.
    Aus dem Töpfchen nahm Uraka
    Rotes Fett, bestrich damit
    Ihres Sohnes Brust und Rippen,
    Rieb sie hastig, zitternd hastig.
    Und derweil sie rieb und salbte,
    Summte sie ein Wiegenliedchen,
    Näselnd fein; dazwischen seltsam
    Knisterten des Herdes Flammen.
    Wie ein Leichnam, gelb und knöchern,
    Lag der Sohn im Schoß der Mutter;
    Todestraurig, weit geöffnet
    Starren seine bleichen Augen.
    Ist er wirklich ein Verstorbner,
    Dem die Mutterliebe nächtlich
    Mit der stärksten Hexensalbe
    Ein verzaubert Leben einreibt? –
    Wunderlicher Fieberhalbschlaf!
    Wo die Glieder bleiern müde,
    Wie gebunden, und die Sinne
    Überreizt und gräßlich wach!
    Wie der Kräuterduft im Zimmer
    Mich gepeinigt! Schmerzlich grübelnd
    Sann ich nach, wo ich dergleichen
    Schon gerochen? Sann vergebens.
    Wie der Windzug im Kamine
    Mich geängstigt! Klang wie Ächzen
    Von getrocknet armen Seelen –
    Schienen wohlbekannte Stimmen.
    Doch zumeist ward ich gequält
    Von den ausgestopften Vögeln,
    Die, auf einem Brett, zu Häupten
    Neben meinem Lager standen.
    Langsam schauerlich bewegten
    Sie die Flügel, und sie beugten
    Sich zu mir herab mit langen
    Schnäbeln, die wie Menschennasen.
    Ach! wo hab ich solche Nasen
    Schon gesehn? War es zu Hamburg
    Oder Frankfurt, in der Gasse?
    Qualvoll dämmernd die Erinnrung!
    Endlich übermannte gänzlich
    Mich der Schlaf, und an die Stelle
    Wachender Phantasmen trat
    Ein gesunder, fester Traum.
    Und mir träumte, daß die Hütte
    Plötzlich ward zu einem Ballsaal,
    Der von Säulen hochgetragen
    Und erhellt von Girandolen.
    Unsichtbare Musikanten
    Spielten aus »Robert le Diable«
    Die verruchten Nonnentänze;
    Ging dort ganz allein spazieren.
    Endlich aber öffnen sich
    Weit die Pforten, und es kommen,
    Langsam feierlichen Schrittes,
    Gar verwunderliche Gäste.
    Lauter Bären und Gespenster!
    Aufrecht wandelnd, führt ein jeder
    Von den Bären ein Gespenst,
    Das vermummt im weißen Grabtuch.
    Solcherweis’ gepaart, begannen
    Sie zu walzen, auf und nieder,
    Durch den Saal. Kurioser Anblick!
    Zum Erschrecken und zum Lachen!
    Denn den plumpen Bären ward es
    Herzlich sauer, Schritt zu halten
    Mit den weißen Luftgebilden,
    Die sich wirbelnd leicht bewegten.
    Unerbittlich fortgerissen
    Wurden jene armen Bestien,
    Und ihr Schnaufen überdröhnte
    Fast den Brummbaß des Orchesters.
    Manchmal walzten sich die Paare
    Auf den Leib, und dem Gespenste,
    Das ihn anstieß, gab der Bär
    Ein’ge Tritte in den Hintern.
    Manchmal auch, im Tanzgetümmel,
    Riß der Bär das Leichenlaken
    Von dem Haupt des Tanzgenossen;
    Kam ein Totenkopf zum Vorschein.
    Endlich aber jauchzten schmetternd
    Die

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