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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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eine
    Lebenslängliche Versorgung,
    Hat sie endlich zu Paris
    Im Jardin des Plantes gefunden.
    Als ich dorten vor’gen Sonntag
    Mich erging mit Julietten,
    Und ihr die Natur erklärte,
    Die Gewächse und die Bestien,
    Die Giraffe und die Zeder
    Von dem Libanon, das große
    Dromedar, die Goldfasanen,
    Auch das Zebra – im Gespräche
    Blieben wir am Ende stehen
    An der Brüstung jener Grube,
    Wo die Bären residieren –
    Heil’ger Herr, was sahn wir dort!
    Ein gewalt’ger Wüstenbär
    Aus Sibirien, schneeweißhaaricht,
    Spielte dort ein überzartes
    Liebesspiel mit einer Bärin.
    Diese aber war die Mumma!
    War die Gattin Atta Trolls!
    Ich erkannte sie am zärtlich
    Feuchten Glanze ihres Auges.
    Ja, sie war es! Sie, des Südens
    Schwarze Tochter! Sie, die Mumma,
    Lebt mit einem Russen jetzt,
    Einem nordischen Barbaren!
    Schmunzelnd sprach zu mir ein Neger,
    Der zu uns herangetreten:
    »Gibt es wohl ein schönres Schauspiel,
    Als zwei Liebende zu sehn?«
    Ich entgegnete: »Mit wem
    Hab ich hier die Ehr’ zu sprechen?«
    Jener aber rief verwundert:
    »Kennen Sie mich gar nicht wieder?
    Ich bin ja der Mohrenfürst,
    Der bei Freiligrath getrommelt.
    Damals ging’s mir schlecht, in Deutschland
    Fand ich mich sehr isoliert.
    Aber hier, wo ich als Wärter
    Angestellt, wo ich die Pflanzen
    Meines Tropenvaterlandes
    Und auch Löw’ und Tiger finde:
    Hier ist mir gemütlich wohler
    Als bei euch auf deutschen Messen,
    Wo ich täglich trommeln mußte
    Und so schlecht gefüttert wurde!
    Hab mich jüngst vermählt mit einer
    Blonden Köchin aus dem Elsaß.
    Ganz und gar in ihren Armen
    Wird mir heimatlich zumute!
    Ihre Füße mahnen mich
    An die holden Elefanten.
    Wenn sie spricht französisch, klingt mir’s
    Wie die schwarze Muttersprache.
    Manchmal keift sie, und ich denke
    An das Rasseln jener Trommel,
    Die mit Schädeln war behangen;
    Schlang’ und Leu entflohn davor.
    Doch im Mondschein, sehr empfindsam,
    Weint sie wie ein Krokodil,
    Das aus lauem Strom hervorblickt,
    Um die Kühle zu genießen.
    Und sie gibt mir gute Bissen!
    Ich gedeih! Mit meinem alten,
    Afrikanischen App’tit,
    Wie am Niger, freß ich wieder!
    Hab mir schon ein rundes Bäuchlein
    Angemästet. Aus dem Hemde
    Schaut’s hervor, wie’n schwarzer Mond,
    Der aus weißen Wolken tritt.«
Caput XXVII
    An August Varnhagen von Ense
    »Wo des Himmels, Meister Ludwig,
    Habt Ihr all das tolle Zeug
    Aufgegabelt?« Diese Worte
    Rief der Kardinal von Este,
    Als er das Gedicht gelesen
    Von des Rolands Rasereien,
    Das Ariosto untertänig
    Seiner Eminenz gewidmet.
    Ja, Varnhagen, alter Freund,
    Ja, ich seh um deine Lippen
    Fast dieselben Worte schweben,
    Mit demselben feinen Lächeln.
    Manchmal lachst du gar im Lesen!
    Doch mitunter mag sich ernsthaft
    Deine hohe Stirne furchen,
    Und Erinnrung überschleicht dich: –
    »Klang das nicht wie Jugendträume,
    Die ich träumte mit Chamisso
    Und Brentano und Fouqué,
    In den blauen Mondscheinnächten?
    Ist das nicht das fromme Läuten
    Der verlornen Waldkapelle?
    Klingelt schalkhaft nicht dazwischen
    Die bekannte Schellenkappe?
    In die Nachtigallenchöre
    Bricht herein der Bärenbrummbaß,
    Dumpf und grollend, dieser wechselt
    Wieder ab mit Geisterlispeln!
    Wahnsinn, der sich klug gebärdet!
    Weisheit, welche überschnappt!
    Sterbeseufzer, welche plötzlich
    Sich verwandeln in Gelächter!…«
    Ja, mein Freund, es sind die Klänge
    Aus der längst verschollnen Traumzeit;
    Nur daß oft moderne Triller
    Gaukeln durch den alten Grundton.
    Trotz des Übermutes wirst du
    Hie und dort Verzagnis spüren –
    Deiner wohlerprobten Milde
    Sei empfohlen dies Gedicht!
    Ach, es ist vielleicht das letzte
    Freie Waldlied der Romantik!
    In des Tages Brand- und Schlachtlärm
    Wird es kümmerlich verhallen.
    Andre Zeiten, andre Vögel!
    Andre Vögel, andre Lieder!
    Welch ein Schnattern, wie von Gänsen,
    Die das Kapitol gerettet!
    Welch ein Zwitschern! Das sind Spatzen,
    Pfennigslichtchen in den Krallen;
    Sie gebärden sich wie Jovis
    Adler mit dem Donnerkeil!
    Welch ein Gurren! Turteltauben,
    Liebesatt, sie wollen hassen,
    Und hinfüro, statt der Venus.
    Nur Bellonas Wagen ziehen!
    Welch ein Sumsen, welterschütternd!
    Das sind ja des Völkerfrühlings
    Kolossale Maienkäfer,
    Von Berserkerwut ergriffen!
    Andre Zeiten, andre Vögel!
    Andre Vögel, andre Lieder!
    Sie gefielen mir vielleicht,
    Wenn ich andre Ohren hätte!

Deutschland
Ein Wintermärchen
    ~
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