Sämtliche Werke
du?
ALMANSOR
Hassan erblickend.
Ha! ha! Du sprachst, zweibeinig kluges Ding!
Trägst du nicht Hassans Bart und Hassans Augen?
Bist du gar Hassan selbst? Das ist recht schön.
Wir wollen Abschied nehmen. Lebe wohl!
Gleich reis ich ab! –
Zeigt ihm den Dolch. –
Sieh, diese schmale Brücke
Führt aus dem Land der Trauer in das Land
Der Freude. Drohend steht am Eingang zwar,
Mit blankem Schwert, ein kohlenschwarzer Riese –
Der ist dem Feigen furchtbar, doch der Mut’ge
Geht ungestört hinein ins Land der Freude.
Ja, dorten ist die wahre Freude oder –
Was doch dasselbe ist – die wahre Ruh’.
Dort summt ins Ohr kein überläst’ger Käfer,
Und keine Mücke kitzelt dort die Nase;
Dort fällt kein grelles Licht ins blöde Aug’;
Und nimmer quält dort Hitz’, und Frost, und Hunger,
Und Durst; und, was das beste ist, dort schläft man
Den ganzen Tag, und obendrein die Nacht.
HASSAN.
Nein, Sohn Abdullahs, feige ist der Schwächling,
Der keine Kraft hat, mit dem Schmerz zu ringen,
Und ihm den Nacken zeigt, und zaghaft von
Des Lebens Kampfplatz flieht – steh auf, Almansor!
ALMANSOR
hebt eine Kastanie von der Erde.
Durch wessen Schuld liegt diese Frucht am Boden?
HASSAN.
Durch Wurm und Sturm; der Wurm zernagt die Fasern,
Und leicht wirft dann der Sturm die Frucht herab.
ALMANSOR.
Soll nun der Mensch, die allerschwächste Frucht,
Nicht auch zu Boden fallen, wenn der Wurm,
Zeigt aufs Herz.
Der schlimmste Wurm die Lebenskraft zernagte,
Und der Verzweiflung wilder Sturm ihn rüttelt?
HASSAN.
Steh auf, steh auf, Almansor! Nur der Wurm
Mag sich am Boden krümmen, doch der Aar
Fliegt stolz hinauf zum ew’gen Sonnenlichte.
ALMANSOR.
Reiß du dem Aar die mächt’gen Flügel aus,
Und auch der Aar ist Wurm und kriecht am Boden.
Des Mißmuts Schere hat mir längst zerschnitten
Die goldnen Flügel, die mich einst als Knabe
Gen Himmel trugen, hoch, gar hoch hinauf.
HASSAN.
Oh, zeig mir einen Stein, der kalt und stumm ist,
Und sprich: »Das ist Almansor!« Ich will’s glauben.
Doch du bist’s nicht, du, der mit offnen Augen
Dort zaghaft liegst, und liegst, und glotzend zusiehst,
Wie man die Schmach auf deine Brüder wälzt,
Wie span’scher Übermut der Mauren beste
Und edelste Geschlechter frech verhöhnt,
Wie man sie schlau beraubt, und händeringend,
Und nackt, und hülflos aus der Heimat peitscht –
Du bist Almansor nicht, sonst dränge dir
Ins Ohr der Greise und der Weiber Wimmern,
Das span’sche Hohngelächter und der Angstruf
Der edlen Opfer auf dem glühnden Holzstoß.
ALMANSOR.
Glaub mir, ich bin’s. Ich seh den span’schen Hund!
Dort spuckt er meinem Bruder in den Bart,
Und tritt ihn noch mit Füßen obendrein.
Ich hör’s: dort weint das arme Mütterchen;
Sie aß am Freitag gerne Gänsebraten,
Drum bratet man sie selbst jetzt, Gott zu Ehren.
Am Pfahl daneben steht ein schönes Mädchen –
Die Flammen sind in sie verliebt, umschmeicheln,
Umlecken sie mit lüstern roten Zungen;
Sie schreit und sträubt sich hold errötend gegen
Die allzu heißen Buhlen, und sie weint –
O schade! aus den schönen Augen fallen
Hellreine Perlen in die gier’ge Glut.
Jedoch was sollen diese Leute mir?
Mein Herz ist ganz durchstochen wie ein Sieb,
Hat keinen Raum für neue Schmerzenstiche.
Der blut’ge Mann, der auf der Folter liegt,
Hat kein Gefühl für einer Biene Stachel.
Glaub mir’s, ich bin Almansor noch, und gastfrei
Steht meine Brust noch offen fremden Schmerzen;
Doch durch die engen Pförtlein, Aug’ und Ohr,
Sind Riesenleiden in die Brust gestiegen,
Die Brust ist voll –
Ängstlich leise. –
Gar ein’ge wunde Gäste
Sind, herbergsuchend, mir ins Hirn gestiegen.
HASSAN.
Steh auf! steh auf! sonst sag ich dir ein Wort,
Das dich aufgeißeln wird, und neue Glut
In deine Adern gießt –
Sich zu ihm herabbeugend. –
Zuleima
Liegt heute nacht in eines Spaniers Armen.
ALMANSOR
aufspringend und sich krampfhaft windend.
Die Sonne ist mir auf den Kopf gefallen,
Das Hirn ist eingebrochen, und die Gäste,
Die dort sich eingenistet, taumeln auf,
Umflirren mich wie graue Fledermäuse,
Umsummen mich, umächzen mich, umnebeln
Mich mit dem Duft vergifteter Gedanken!
Hält sich den Kopf.
O weh! o weh! die Alte faßt mich an,
Reißt mir das Haupt vom Rumpf, und schleudert es
In einen Hochzeitsaal, wo zärtlich bellend
Ein span’scher Hund mein süßes Liebchen küßt,
Und schnalzend küßt und herzt – O weh! O hilf
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