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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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gutgemeinten Warnungen kein Gehör schenkt, greift der greise Krieger (welcher der treue Eckart genannt ist) zum Schwerte und fordert jenen zum Zweikampf. Der Ritter nimmt die Herausforderung an, gebietet der angstbewegten Göttin, das Gefecht durch keine Einmischung zu stören; er wird aber gleich nach den ersten Ausfällen niedergestochen. Der treue Eckart wackelt täppisch zufrieden von dannen, wahrscheinlich sich freuend, wenigstens die Seele des Ritters gerettet zu haben. Über die Leiche desselben wirft sich verzweiflungsvoll und trostlos die Göttin Diana.
Viertes Tableau
    Der Venusberg: ein unterirdischer Palast, dessen Architektur und Ausschmückung im Geschmack der Renaissance, nur noch weit phantastischer und an arabische Feenmärchen erinnernd. Korinthische Säulen, deren Kapitäler sich in Bäume verwandeln und Laubgänge bilden. Exotische Blumen in hohen Marmorvasen, welche mit antiken Basreliefs geziert. An den Wänden Gemälde, wo die Liebschaften der Venus abgebildet. Goldne Kandelaber und Ampeln verbreiten ein magisches Licht, und alles trägt hier den Charakter einer zauberischen Üppigkeit. Hie und da Gruppen von Menschen, welche müßig und nachlässig am Boden lagern oder bei dem Schachbrett sitzen. Andere schlagen Ball oder halten Waffenübungen und Scherzgefechte. Ritter und Damen ergehen sich paarweis in galanten Gesprächen. Die Kostüme dieser Personen sind aus den verschiedensten Zeitaltern, und sie selber sind eben die berühmten Männer und Frauen der antiken und mittelalterlichen Welt, die der Volksglaube, wegen ihres sensualistischen Rufes oder wegen ihrer Fabelhaftigkeit, in den Venusberg versetzt hat. Unter den Frauen sehen wir z.B. die schöne Helena von Sparta, die Königin von Saba, die Kleopatra, die Herodias, unbegreiflicherweise auch Judith, die Mörderin des edlen Holofernes, dann auch verschiedene Heldinnen der bretonischen Rittersagen. Unter den Männern ragen hervor: Alexander von Mazedonien, der Poet Ovidius, Julius Cäsar, Dieterich von Bern, König Artus, Ogier der Däne, Amadis von Gallien, Friedrich der Zweite von Hohenstaufen, Klingsohr von Ungerland, Gottfried von Straßburg und Wolfgang Goethe. Sie tragen alle ihre Zeit- und Standestracht, und es fehlt hier nicht an geistlichen Ornaten, welche die höchsten Kirchenämter verraten.
    Die Musik drückt das süßeste Dolcefarniente aus, geht aber plötzlich über in die wollüstigsten Freudenlaute. Dann erscheint Frau Venus mit dem Tannhäuser, ihrem Cavaliere servente. Diese beiden, sehr entblößt und Rosenkränze auf den Häuptern, tanzen ein sehr sinnliches Pas de deux, welches schier an die verbotensten Tänze der Neuzeit erinnert. Sie scheinen sich im Tanze zu zanken, sich zu verhöhnen, sich zu necken, sich mit Verspottung den Rücken zu kehren und unversehens wieder vereinigt zu werden durch eine unverwüstliche Liebe, die aber keineswegs auf wechselseitiger Achtung beruht. Einige andere Personen schließen sich dem Tanz jener beiden an, in ähnlich ausgelassener Weise, und es bilden sich die übermütigsten Quadrillen.
    Diese tolle Lust wird aber plötzlich unterbrochen. Schneidende Trauermusik erschallt. Mit aufgelöstem Haar und den Gebärden des wildesten Schmerzes stürzt herein die Göttin Diana, und hinter ihr wandeln ihre Nymphen, welche die Leiche des Ritters tragen. Letztere wird in der Mitte der Szene niedergesetzt, und die Göttin legt ihr mit liebender Sorgfalt einige seidene Kissen unter das Haupt. Diana tanzt ihren entsetzlichen Verzweiflungstanz, mit allen erschütternden Kennzeichen einer wahren tragischen Leidenschaft, ohne Beimischung von Galanterie und Laune. Sie beschwört ihre Freundin Venus, den Ritter vom Tode zu erwecken. Aber jene zuckt die Achsel, sie ist ohnmächtig gegen den Tod. Diana wirft sich wie wahnsinnig auf den Toten und benetzt mit Tränen und Küssen seine starren Hände und Füße.
    Es wechselt wieder die Musik, und sie verkündet Ruhe und harmonische Beseligung. An der Spitze der Musen erscheint, zur linken Seite der Szene, der Gott Apollo. Aufs neue wechselt die Musik; bemerkbar wird ihr Übergang in jauchzende Lebensfreude, und zur rechten Seite der Szene erscheint Bacchus nebst seinem bacchantischen Gefolge. Apollo stimmt seine Leier, und spielend tanzt er nebst den Musen um die Leiche des Ritters. Bei dem Klange dieser Töne erwacht dieser gleichsam wie aus einem schweren Schlafe, er reibt sich die Augen, schaut verwundert umher, fällt aber bald wieder zurück in

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