Sämtliche Werke
ihn endlich ganz, wie er ist, mit all seiner blühenden Welkheit, seinem Überfluß an Geistesmangel, seiner Einbildung ohne Einbildungskraft, ganz wie er ist, forciert ohne Force, pikiert, ohne pikant zu sein, eine trockne Wasserseele, ein trister Freudenjunge. Dieser Troubadour des Jammers, geschwächt an Leib und Seele, versuchte es, den gewaltigsten, phantasiereichsten und witzigsten Dichter der jugendlichen Griechenwelt nachzuahmen! Nichts ist wahrlich widerwärtiger als diese krampfhafte Ohnmacht, die sich wie Kühnheit aufblasen möchte, diese mühsam zusammengetragenen Invektiven, denen der Schimmel des verjährten Grolls anklebt, und dieser silbenstecherisch ängstlich nachgeahmte Geistestaumel. Wie sich von selbst versteht, zeigt sich in des Grafen Werk keine Spur von einer tiefen Weltvernichtungsidee, die jedem Aristophanischen Lustspiele zum Grunde liegt und die darin, wie ein phantastisch-ironischer Zauberbaum, emporschießt mit blühendem Gedankenschmuck, singenden Nachtigallnestern und kletternden Affen. Eine solche Idee mit dem Todesjubel und dem Zerstörungsfeuerwerk, das dazu gehört, durften wir freilich von dem armen Grafen nicht erwarten. Der Mittelpunkt, die erste und letzte Idee, Grund und Zweck seines sogenannten Lustspiels, besteht, wie bei der »Verhängnisvollen Gabel«, wieder in geringfügig literarischen Händeln, der arme Graf konnte nur einige Äußerlichkeiten des Aristophanes nachahmen, nämlich die feinen Verse und die groben Worte. Ich sage: grobe Worte, weil ich keinen gröbern Ausdruck brauchen will. Wie ein keifendes Weib gießt er ganze Blumentöpfe von Schimpfreden auf die Häupter der deutschen Dichter. Ich will dem Grafen herzlich gern seinen Groll verzeihen, aber er hätte doch einige Rücksichten beobachten müssen. Er hätte wenigstens das Geschlecht in uns ehren sollen, da wir keine Weiber sind, sondern Männer und folglich zu einem Geschlechte gehören, das nach seiner Meinung das schöne Geschlecht ist und das er so sehr liebt. Es bleibt dieses immer ein Mangel an Delikatesse, mancher Jüngling wird deshalb an seinen Huldigungen zweifeln, da jeder fühlt, daß der Wahrhaftliebende auch das ganze Geschlecht verehrt. Der Sänger Frauenlob war gewiß nie grob gegen irgendein Weib, und ein Platen sollte daher mehr Achtung zeigen gegen Männer. Aber der Undelikate! ohne Scheu erzählt er dem Publikum, wir Dichter in Norddeutschland hätten alle die »Krätze, wofür wir leider eine Salbe brauchten, die als mephitisch er vor vielen schätze«. Der Reim ist gut. Am unzartesten ist er gegen Immermann. Schon im Anfang seines Gedichts läßt er diesen hinter einer spanischen Wand Dinge tun, die ich nicht nennen darf und die dennoch nicht zu widerlegen sind. Ich halte es sogar für wahrscheinlich, daß Immermann schon solche Dinge getan hat. Es ist aber charakteristisch, daß die Phantasie des Grafen Platen sogar seine Feinde a posteriori zu belauschen weiß. Er schonte nicht einmal Houwald, diese gute Seele, sanft wie ein Mädchen – ach, vielleicht eben dieser holden Weiblichkeit wegen haßt ihn ein Platen. Müllner, den er, wie er sagt, schon längst »durch wirklichen Witz urkräftig erlegt«, dieser Tote wird wieder aus dem Grabe gescharrt. Kind und Kindeskind bleiben nicht unangetastet. Raupach ist ein Jude,
Das Jüdchen Raupel –
Das jetzt als Raupach trägt so hoch die Nase,
»schmiert Tragödien im Katzenjammer«. Noch weit schlimmer ergeht es dem »getauften Heine«. Ja, ja, du irrst dich nicht, lieber Leser, das bin ich, den er meint, und im »König Ödipus« kannst du lesen, wie ich ein wahrer Jude bin, wie ich, wenn ich einige Stunden Liebeslieder geschrieben, gleich darauf mich niedersetze und Dukaten beschneide, wie ich am Sabbat mit langbärtigen Mauscheln zusammenhocke und den Talmud singe, wie ich in der Osternacht einen unmündigen Christen schlachte und aus Malice immer einen unglücklichen Schriftsteller dazu wähle – Nein, lieber Leser, ich will dich nicht belügen, solche gute, ausgemalte Bilder stehen nicht im »König Ödipus«, und daß sie nicht darin stehen, das nur ist der Fehler, den ich tadele. Der Graf Platen hat zuweilen die besten Motive und weiß sie nicht zu benutzen. Hätte er nur ein bißchen mehr Phantasie, so würde er mich wenigstens als geheimen Pfänderverleiher geschildert haben; welche komische Szenen hätten sich dargeboten! Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, wie sich der arme Graf jede Gelegenheit zu guten Witzen
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