Sämtliche Werke
gewagt haben: keineswegs jedoch sei Ludwig Philipp wert, daß man, um ihn zu behalten, bei späteren bedeutenderen Emeuten ganz Paris, also sich selber nebst Weib und Kind und sämtlichen Butiken, in die Gefahr setzt, von 14 Höhen herab zugrunde geschossen zu werden. Man sei ja, meinen sie übrigens, seit fünfzig Jahren an alle möglichen Revolutionen gewöhnt, man habe sich ganz darauf einstudiert, bei geringen Emeuten zu intervenieren, damit die Ruhe gleich wiederhergestellt wird, bei größeren Insurrektionen sich gleich zu unterwerfen, damit ebenfalls die Ruhe gleich wiederhergestellt wird. Auch die Fremden, meinen sie, die reichen Fremden, die in Paris soviel Geld verzehren, hätten jetzt eingesehen, daß eine Revolution für jeden ruhigen Zuschauer ungefährlich sei, daß dergleichen mit großer Ordnung, sogar mit großer Artigkeit stattfinde, dergestalt, daß es für einen Ausländer noch ein besonderes Amüsement sei, eine Revolution in Paris zu erleben. Umgäbe man aber Paris mit Forts détachés, so würde die Furcht, daß man eines frühen Morgens zugrunde geschossen werden könne, die Ausländer, die Provinzialen und nicht bloß die Fremden, sondern auch viele hier ansässige Rentiers aus Paris verscheuchen; man würde dann weniger Zucker, Pfeffer und Pomade verkaufen und geringere Hausmiete gewinnen; kurz, Handel und Gewerbe würden zugrunde gehn. Die Epiciers, die solcherweise für den Zins ihrer Häuser, für die Kunden ihrer Butiken und für sich selbst und ihre Familien zittern, sind daher Gegner eines Projektes, wodurch Paris eine Festung wird, wodurch Paris nicht mehr das alte, heitere, sorglose Paris bleibt. Andere, die zwar zum Justemilieu gehören, aber den liberalen Prinzipien der Revolution nicht entsagt haben und solche Prinzipien noch immer mehr lieben als den Ludwig Philipp: diese wollen das Bürgerkönigtum vielmehr durch Institutionen als durch eine Art von Bauwerken geschützt sehen, die allzusehr an die alte feudalistische Zeit erinnern, wo der Inhaber der Zitadelle die Stadt nach Willkür beherrschen konnte. Ludwig Philipp, sagen sie, sei bis jetzt noch ein treuer Wächter der bürgerlichen Freiheit und Gleichheit, die man durch soviel Blut erkämpft; aber er sei Mensch, und im Menschen wohne immer ein geheimes Gelüste nach absoluter Herrschaft. Im Besitz der Forts détachés könne er ungeahndet, nach Willkür, jede Laune befriedigen; er sei alsdann weit unumschränkter, als es die Könige vor der Revolution jemals sein mochten; diese hätten nur einzelne Unzufriedene in die Bastille setzen können, Ludwig Philipp aber umgäbe die ganze Stadt mit Bastillen, er embastilliere ganz Paris. Ja, wenn man auch der edlen Gesinnung des jetzigen Königs ganz sicher wäre, so könne man doch nicht für die Gesinnungen seiner Nachfolger Bürge stehen, noch viel weniger für die Gesinnungen aller derjenigen, die sich durch List oder Zufall einst in den Besitz jener Forts détachés setzen und alsdann Paris nach Willkür beherrschen könnten. Weit wichtiger noch als diese Einwürfe war eine andere Besorgnis, die sich von allen Seiten kundgab und sogar diejenigen erschütterte, die bis jetzt weder gegen noch für die Regierung, ja nicht einmal für oder gegen die Revolution Partei genommen. Sie betraf das höchste und wichtigste Interesse des ganzen Volks, die Nationalunabhängigkeit. Trotz aller französischen Eitelkeit, die nie gern an 1814 und 1815 zurückdenkt, mußte man sich doch heimlich gestehen, daß eine dritte Invasion nicht so ganz außer dem Bereiche der Möglichkeit läge, daß die Forts détachés nicht bloß den Alliierten kein allzu großes Hindernis sein würden, wenn sie Paris einnehmen wollten, sondern daß sie eben dieser Forts sich bemächtigen könnten, um Paris für ewige Zeiten in Zaum zu halten oder wo nicht gar für immer in den Grund zu schießen. Ich referiere hier nur die Meinung der Franzosen, die sich für überzeugt halten, daß einst bei der Invasion die fremden Truppen sich wieder von Paris entfernt, weil sie keinen Stützpunkt gegen die große Einwohnermasse gefunden, und daß jetzt die Fürsten in der Tiefe ihrer Herzen nichts Sehnlicheres wünschen, als Paris, das Foyer der Revolution, von Grund aus zu zerstören. – –«
Sollte jetzt wirklich das Projekt der Forts détachés für immer aufgegeben sein? Das weiß nur der Gott, der in die Nieren der Könige schaut.
Ich kann nicht umhin zu erwähnen, daß uns vielleicht der Parteigeist verblendet und der
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