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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Thema öffentlich zu erörtern, das die Tagesleidenschaften so furchtbar ansprechen mußte. Ich habe diese Besorgnisse dem Grafen mitgeteilt, und er war verständig genug, nichts gegen mich zu schreiben. Da ich ihn zuerst angegriffen, hätte ich seine Antwort nicht ignorieren dürfen, und eine Replik hätte wieder von meiner Seite erfolgen müssen. Wegen jener Einsicht verdient der Graf das beste Lob, das ich ihm hiermit zolle, und zwar um so bereitwilliger, da ich in ihm persönlich einen geistreichen und, was noch mehr sagen will, einen wohldenkenden Mann gefunden, der es wohl verdient hätte, in der Vorrede zu den Kahldorfschen Briefen nicht wie ein gewöhnlicher Adliger behandelt zu werden. Seitdem habe ich seine Schrift über Gewerbefreiheit gelesen, worin er, wie bei vielen anderen Fragen, den liberalsten Grundsätzen huldigt.
    Es ist eine sonderbare Sache mit diesen Adligen! Die Besten unter ihnen können sich von ihren Geburtsinteressen nicht lossagen. Sie können in den meisten Fällen liberal denken, vielleicht noch unabhängig liberaler als Roturiers, sie können vielleicht mehr als diese die Freiheit lieben und Opfer dafür bringen – aber für bürgerliche Gleichheit sind sie sehr unempfänglich. Im Grunde ist kein Mensch ganz liberal, nur die Menschheit ist es ganz, da der eine das Stück Liberalismus besitzt, das dem anderen mangelt, und die Leute sich also in ihrer Gesamtheit aufs beste ergänzen. Der Graf Moltke ist gewiß der festesten Meinung, daß der Sklavenhandel etwas Widerrechtliches und Schändliches ist, und er stimmt gewiß für dessen Abschaffung. Mynheer van der Null hingegen, ein Sklavenhändler, den ich unter den Bohmchen zu Rotterdam kennengelernt, ist durchaus überzeugt, der Sklavenhandel sei etwas ganz Natürliches und Anständiges, das Vorrecht der Geburt aber, das Erbprivilegium, der Adel, sei etwas Ungerechtes und Widersinniges, welches jeder honette Staat ganz abschaffen müsse.
    Daß ich im Julius 1831 mit dem Grafen Moltke, dem Champion des Adels, keinen Federkrieg führen wollte, wird jeder vernünftig fühlende Mensch zu würdigen wissen, wenn er die Natur der Bedrohnisse erwägt, die damals in Deutschland laut geworden.
    Die Leidenschaften tobten wilder als je, und es galt damals, dem Jakobinismus ebenso kühn die Stirne zu bieten wie einst dem Absolutismus. Unbeweglich in meinen Grundsätzen, haben selbst die Ränke des Jakobinismus nicht vermocht, mich hier, zu Paris, in den dunkelen Strudel hineinzureißen, wo deutscher Unverstand mit französischem Leichtsinn rivalisierte. Ich habe keinen Teil genommen an der hiesigen deutschen Assoziation, außer daß ich ihr, bei einer Kollekte für die Unterstützung der freien Presse, einige Francs zollte; lange vor den Juniustagen habe ich den Vorstehern jener Assoziation aufs bestimmteste notifiziert, daß ich nicht mit derselben in weiterer Verbindung stehe. Ich kann daher nur mitleidig die Achsel zucken, wenn ich höre, daß die jesuitisch aristokratische Partei in Deutschland sich zu jener Zeit die größte Mühe gab, mich als einen der Enragés des Tages darzustellen, um mir bei deren Exzessen eine kompromittierende Solidarität aufzubürden.
    Es war eine tolle Zeit, und ich hatte meine große Not mit meinen besten Freunden, und ich war sehr besorgt für meine schlimmsten Feinde. Ja, ihr teuern Feinde, ihr wißt nicht, wieviel Angst ich um euch ausgestanden habe. Es war schon die Rede davon, alle verräterische Junker, verleumderische Pfaffen und sonstige Schurken in Deutschland aufzuknüpfen. Wie durfte ich das leiden! Galt es nur, euch ein bißchen zu züchtigen, euch auf dem Schloßplatz zu Berlin oder auf dem Schrannenmarkt zu München in einem gelinden Versmaße mit Ruten zu streichen oder euch die trikolore Kokarde auf die Tonsur zu nageln oder sonst ein Späßchen mit euch zu treiben, das hätte ich schon hingehen lassen. Aber daß man euch geradezu umbringen wollte, das litt ich nicht. Euer Tod wäre ja für mich der größte Verlust gewesen. Ich hätte mir neue Feinde erwerben müssen, vielleicht unter honetten Leuten, welches einem Schriftsteller in den Augen des Publikums sehr schädlich ist. Nichts ist uns ersprießlicher, als wenn wir lauter schlechte Kerle zu Feinden haben. Der HERR hat mich unübersehbar reichlich mit dieser Sorte gesegnet, und ich bin froh, daß sie jetzt in Sicherheit sind. Ja, laßt uns ein »Te Metternich laudamus« singen, ihr teuern Feinde! Ihr waret in der größten Gefahr, gehenkt zu

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