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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Allianz mit Rußland träumt? – Es ist möglich, denn im Fall man Frankreich zum Kriege zwänge, würde Guizot, alle revolutionären Mittel verschmähend, nur politischen Allianzen nachstreben. »Können wir, trotz aller Opfer und Mäßigung, den Frieden nicht aufrechterhalten, so werden wir den Krieg als eine Macht (puissance) führen und nicht als ein lärmender Haufen (cohue)« – so äußerte sich Guizot im vertrauten Salon. Hierin liegt aber der Hauptgrund, weshalb ihm alle jene Leute gram sind, die nur von einer Propaganda den Sieg erwarten und sich dabei als notwendige Werkzeuge wichtig machen wollen. Das sind namentlich die Journalisten, die ihrer Feder alle mögliche Hülfswirkung zutrauen. »Das Beste in der Welt ist eine baumwollene Nachtmütze« – sagt der Bonnetier, und die Journalisten sagen: »Das Beste ist ein Zeitungsartikel!« Wie sehr sie sich irren, erfuhren wir in jüngster Zeit, wo die propagandistischen Phrasen des »National«, des »Courrier français« und des »Constitutionnel« soviel Mißmut in Deutschland erregten. Da waren die Väter weit praktischer: als sie die kosmopolitischen Ideen der Revolution in Gefahr sahen, suchten sie Hülfe im Nationalgefühl. Die Söhne, welche ihre Nationalität bedroht sehen, nehmen ihre Zuflucht zu den kosmopolitischen Ideen; – diese aber treiben nicht so mächtig zur Tat wie jene begeisternden Erddünste, die wir Vaterlandsliebe nennen.
    Ob im Falle eines Krieges die russische Allianz für die Franzosen heilsamer sei als die Propaganda, daran zweifle ich. Durch letztere wird nur ihre zeitliche Gesellschaftsform bedroht, erstere aber gefährdet das Wesen der Gesellschaft selbst, ihr innerstes Lebensprinzip, die Seele des französischen Volks.
XXIX
    Paris, 11. Januar 1841
    Immer mehr verbreitet sich unter den Franzosen die Meinung, daß Bellonas Drommeten dieses Frühjahr den Gesang der Nachtigallen überschmettern und die armen Veilchen, zertreten vom Pferdehuf, ihren Duft im Pulverdampf verhauchen müssen. Ich kann dieser Ansicht keineswegs beistimmen, und die süßeste Friedenshoffnung nistet beharrlich in meiner Brust. Es ist jedoch immer möglich, daß die Unglückspropheten recht haben und der kecke Lenz mit unvorsichtiger Lunte den geladenen Kanonen nahe. Ist aber diese Gefahr überstanden und ist gar der heiße Sommer gewitterlos vorübergezogen, dann, glaube ich, ist Europa für lange Zeit vor den Schrecknissen eines Kriegs geschützt, und wir dürfen uns eines langen, dauernden Friedens versichert halten. Die Wirrnisse, die von oben kamen, werden alsdann auch dort oben ruhig gelöst worden sein, und das niedrige Gezücht des Nationalhasses, das sich in den untern Schichten der Gesellschaft entwickelt hat, wird von der bessern Einsicht der Völker wieder in seinen Schlamm zurückgetreten werden. Das wissen aber auch die Dämonen des Umsturzes diesseits und jenseits des Rheins, und wie hier in Frankreich die radikale Partei, aus Angst vor der definitiven Befestigung der Orleansschen Dynastie und ihrer auf lange Zeit gesicherten Dauer, die Wechselfälle des Kriegs herbeiwünscht, um nur die Chance eines Regierungswechsels zu gewinnen, so predigt jenseits des Rheins die radikale Partei einen Kreuzzug gegen die Franzosen, in der Hoffnung, daß die entzügelten Leidenschaften einen wilden Zustand herbeiführen, wo viel leichter als in einer zahmen und gezähmten Periode die Ideen der Bewegung verwirklicht werden können. Ja, die Furcht vor der einschläfernden und fesselnden Macht des Friedens brachte diese Leute zu dem verzweiflungsvollen Entschluß, das französische Volk (wie sie in ihrer Unschuld sich ausdrücken) aufzuopfern. Wir sagen es offen, weil uns dieser Heroismus ebenso töricht wie undankbar erscheint und weil wir unsägliches Mitleid empfinden mit der bärenhaften Unbeholfenheit, die sich einbildet, klüger zu sein als alle Füchse der List! O ihr Toren, ich rate euch, legt euch nicht auf das gefährliche Fach der politischen Pfiffigkeit, seid deutsch ehrlich und menschlich dankbar und bildet euch nicht ein, ihr werdet auf eigenen Beinen stehen, wenn Frankreich fällt, die einzige Stütze, die ihr habt auf dieser Erde!
    Werden aber nicht auch von oben die Funken der Zwietracht geschürt? Ich glaube es nicht, und es will mich bedünken, die diplomatischen Wirrnisse seien mehr ein Resultat der Ungeschicklichkeit als des bösen Willens. Wer will aber den Krieg? England und Rußland könnten sich schon jetzt zufriedengeben; – sie

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