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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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schwärmerisch wiegte. Hier galt Ali für den Helden, der bestimmt sei, dem schwachen Türkenregimente zu Stambul ein barsches Ende zu machen und, dort selber das Kalifat übernehmend, die Fahne des Propheten zu schützen. Und wahrhaftig, in seiner starken Faust wäre sie besser aufgehoben als in den schwachen Händen des jetzigen Gonfaloniere des mohammedanischen Glaubens, der früh oder spät den Legionen und den noch gefährlichern Machinationen des Zars aller Reußen erliegen muß. Dem politischen und religiösen Fanatismus, worüber der russische Kaiser, der zugleich das Oberhaupt der griechischen Kirche ist, verfügen kann, hätte ein regeneriertes Reich der Moslim unter Mehemed Ali oder einem sonstig neuen Dynasten mit ähnlicher Gewalt widerstanden, da ein ebenso ungestüm fanatisches Element zu seiner Erhaltung in die Schranken getreten wäre. Ich rede hier vom Genius der Araber, der nie ganz erstorben, sondern nur im stillen Beduinenleben eingeschlafen und oft wie träumend nach dem Schwerte griff, wenn irgendein ausgezeichneter Löwe draußen sein kriegerisches Gebrüll vernehmen ließ. – Diese Araber harren vielleicht nur des rechten Rufs, um schlafgestärkt wieder aus ihren schwülen Einöden hervorzustürmen, wie ehemals. – Wir haben sie aber nicht mehr zu fürchten, wie ehemals, wo wir vor den Halbmondstandarten zitterten, und es wäre vielmehr ein Glück für uns, wenn Konstantinopel jetzt der Tummelplatz ihres Glaubenseifers würde. Dieser wäre das beste Bollwerk gegen jenes moskowitische Gelüste, das nichts Geringeres im Schilde führt, als an den Ufern des Bosporus die Schlüssel der Weltherrschaft zu erkämpfen oder zu erschleichen. Welch eine Macht besitzt bereits der Kaiser von Rußland, den man wahrlich bescheiden nennen muß, wenn man bedenkt, wie stolz andere an seiner Stelle sich gebärden würden. Aber weit gefährlicher als der Stolz des Herrn ist der Knechtschaftshochmut seines Volks, das nur in seinem Willen lebt und mit blindem Gehorsam in der heiligen Machtvollkommenheit des Gebieters sich selber zu verherrlichen glaubt. Die Begeisterung für das römisch-katholische Dogma ist abgenutzt, die Ideen der Revolution finden nur noch laue Enthusiasten, und wir müssen uns wohl nach neuen, frischen Fanatismen umsehen, die wir dem slawisch-griechisch-orthodoxen, absoluten Kaiserglauben entgegensetzen könnten!
    Ach! wie schrecklich ist diese orientalische Frage, die bei jeder Wirrnis uns so höhnisch angrinst! Wollen wir der Gefahr, die uns von dorther bedroht, schon jetzt vorbeugen, so haben wir den Krieg. Wollen wir hingegen geduldig dem Fortschritt des Übels zusehen, so haben wir die sichere Knechtschaft. Das ist ein schlimmes Dilemma. Wie sie sich auch betrage, die arme Jungfrau Europa – sie mag mit Klugheit bei ihrer Lampe wachend bleiben oder als ein sehr unkluges Fräulein bei der erlöschenden Lampe einschlafen –, ihrer harret kein Freudentag.
XXXI
    Paris, 13. Februar 1841
    Sie gehen jeder Frage direkt auf den Leib und zerren daran so lange herum, bis sie entweder gelöst oder als unauflösbar beseitigt wird. Das ist der Charakter der Franzosen, und ihre Geschichte entwickelt sich daher wie ein gerichtlicher Prozeß. Welche logische, systematische Aufeinanderfolge bieten alle Vorgänge der französischen Revolution! In diesem Wahnsinn war wirklich Methode, und die Historiographen, die, nach dem Vorbild von Mignet, dem Zufall und den menschlichen Leidenschaften wenig Spielraum gestattend, die tollsten Erscheinungen seit 1789 als ein Resultat der strengsten Notwendigkeit darstellen – diese sogenannte fatalistische Schule ist in Frankreich ganz an ihrem Platz, und ihre Bücher sind ebenso wahrhaft wie leichtfaßlich. Die Anschauungs- und Darstellungsweise dieser Schriftsteller, angewendet auf Deutschland, würde jedoch sehr irrtumreiche und unbrauchbare Geschichtswerke hervorbringen. Denn der Deutsche, aus Scheu vor aller Neuerung, deren Folgen nicht klar zu ermitteln sind, geht jeder bedeutenden politischen Frage so lange wie möglich aus dem Wege oder sucht ihr durch Umwege eine notdürftige Vermittlung abzugewinnen, und die Fragen häufen und verwickeln sich unterdessen bis zu jenem Knäuel, welcher am Ende vielleicht, wie jener gordische, nur durch das Schwert gelöst werden kann. Der Himmel behüte mich, dem großen Volk der Deutschen hiermit einen Vorwurf machen zu wollen! Weiß ich doch, daß jener Mißstand aus einer Tugend hervorgeht, die den Franzosen fehlt. Je

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