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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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Feier des Geburtstages Sr. Königl. Hoheit, des Kronprinzen, heute um 11  Uhr, mit dem Ballon des Prof. J[ungius] in die Luft gehen, und denselben, vermittelst einer Maschine, unabhängig vom Wind, nach einer bestimmten Richtung hinbewegen. Dies Unternehmen scheint befremdend, da die Kunst, den Ballon, auf ganz leichte und naturgemäße Weise, ohne alle Maschinerie, zu bewegen, schon erfunden ist. Denn da in der Luft alle nur mögliche Strömungen (Winde) übereinander hegen: so braucht der Aeronaut nur vermittelst perpendikularer Bewegungen, den Luftstrom aufzusuchen, der ihn nach seinem Ziel führt: ein Versuch, der bereits mit vollkommnem Glück, in Paris, von Herrn Garnerin, angestellt worden ist.
    Gleichwohl scheint dieser Mann, der während mehrerer Jahre im Stillen dieser Erfindung nachgedacht hat, einer besondern Aufmerksamkeit nicht unwert zu sein. Einen Gelehrten, mit dem er sich kürzlich in Gesellschaft befand, soll er gefragt haben: ob er ihm wohl sagen könne, in wieviel Zeit eine Wolke, die eben andem Horizont heraufzog, im Zenit der Stadt sein würde? Auf die Antwort des Gelehrten: »daß seine Kenntnis so weit nicht reiche«, soll er eine Uhr auf den Tisch gelegt haben, und die Wolke genau, in der von ihm bestimmten Zeit, im Zenit der Stadt gewesen sein. Auch soll derselbe, bei der letzten Luftfahrt des Prof. J., im voraus nach Werneuchen gefahren, und die Leute daselbst versammelt haben: indem er aus seiner Kenntnis der Atmosphäre mit Gewißheit folgerte, daß der Ballon diese Richtung nehmen, und der Prof. J. in der Gegend dieser Stadt niederkommen müsse.
    Wie nun der Versuch, den er heute, gestützt auf diese Kenntnis, unternehmen will, ausfallen wird: das soll in Zeit von einer Stunde entschieden sein. Herr Claudius will nicht nur bei seiner Abfahrt, den Ort, wo er niederkommen will, in gedruckten Zetteln bekannt machen: es heißt sogar, daß er schon Briefe an diesen Ort habe abgehen lassen, um daselbst seine Ankunft anzumelden. – Der Tag ist, in der Tat, gegen alle Erwartung, seiner Vorherbestimmung gemäß, ausnehmend schön.
    N. S.
     
    2 Uhr nachmittags
    Herr Claudius hatte beim Eingang in den Schützenplatz Zettel austeilen lassen, auf welchen er, längs der Potsdamer Chaussee, nach dem Luckenwaldschen Kreis zu gehen, und in einer Stunde vier Meilen zurückzulegen versprach. Der Wind war aber gegen 12 Uhr so mächtig geworden, daß er noch um 2 Uhr mit der Füllung des Ballons nicht fertig war; und es verbreitete sich das Gerücht, daß er vor 4 Uhr nicht in die Luft gehen würde.
     
     
    Extrablatt
    Über die gestrige Luftschiffahrt des Herrn Claudius
    Herr Claudius hat seinen Versuch, den Ballon willkürlich, vermittelst einer Maschine, zu dirigieren, nicht zustande bringen können. Sei es nun, daß der Wind, indem er die Taftwände zusammendrückte, der Anfüllung hinderlich, oder aber die Materialien (welches das Wahrscheinlichere ist) von schlechter Beschaffenheit waren: der Ballon hatte um 4 Uhr noch keine Steigekraft.Das Volk ist, bei solchen Gelegenheiten, immer wie ein Kind; und während sich Herr Reichard, der sich der Sache angenommen hatte, der augenscheinlichen Gefahr ungeachtet, erbot, in die Lüfte zu gehen, ward Herr Claudius, durch die Vorsorge der Polizei, im Stillen in Sicherheit gebracht. Herr Reichard, dieser erfahrne und mutige Luftschiffahrer, dessen Einsicht man diese Sache überlassen mußte, setzte sich demnach in der Tat in die Gondel; sein Glück aber wollte, daß er, sogleich beim Aufsteigen, in die Bäume des zunächst liegenden Gartens geriet: ohne welchen Glücksfall er unfehlbar auf halsbrechende Weise über die Dächer der Stadt hinweg geschleift haben würde. Hierauf, nachdem man den Ballon wieder niedergezogen und in die Mitte des Schützenplatzes gebracht hatte, ward er von höherer Hand befragt: ob er anders nicht, als mit Lebensgefahr steigen könne? und da Herr Reichard antwortete: »steigen könne und wolle er; aber, unter solchen Umständen, ohne Lebensgefahr nicht!« so ward ihm, auf unbedingte Weise, befohlen, auszusteigen: worauf die Herren Unternehmer, nachdem dies bewerkstelligt war, dem Volk noch, um es zu befriedigen, das kostspielige Schauspiel gaben, den Ballon für sich, ohne Schiffahrer, in das Reich der Lüfte empor gehen zu lassen. In weniger als einer Viertelstunde, war derselbe nunmehr den Augen entschwunden; und ob man ihn wieder auffinden wird, steht dahin.
    Bei dieser Gelegenheit müssen wir auf den Versuch Herrn Garnerins

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