Saemtliche Werke von Jean Paul
schreien. – – Alle diese Zurüstungen zu einem viel zu großen Diner, das heute unten gegeben wird, hör’ ich in mein Studierzimmer herauf. Vielleicht sind solche Zurüstungen dem Range der beiden Gäste, die das Traktement annehmen sollen, angemessener als dem Stande der beiden Schulleute, die es geben. Gegenwärtigem Geschichtschreiber und seiner Schwester dürfen sie nämlich ein Essen geben und selber mit am Tische sitzen. Der Schulmeister hatte viel von seinem ausgeräumten Ameublement eine Woche lang in meine Stube einpfarren dürfen, weil die seinige endlich nach langem Bittschreiben – denn das Konsistorium sieht Reparaturen an der sichtbaren wie an der unsichtbaren Kirche nicht gern – reformiert, d. h. repariert, nämlich geweißet wurde. – Daher invitierte er mich (aus Hofton) zum Dinieren, und ich nahm (ebenfalls aus Hofton) die Karte an.
Ich werde den Sektor erst abends ausschreiben, teils um mir nicht die Eßlust wegzudenken, teils um mir draußen noch einige zu erhinken, wo ich noch dazu ein paar Emmerlinge und die Kirchenleute singen hören kann. Überhaupt ist der Nachsommer, der heute mit seinem schönsten himmelblauen Kleide und der Orden-Sonne darauf auf den Feldern draußen steht, ein stiller Karfreitag der Natur; und wenn wir Menschen höfliche Leute wären: so gingen wir da öfter ins Freie und begleiteten den verreisenden Sommer höflich bis an die Türe. Ich seh’ es voraus, ich würde mich heute an der milden Sonne, die ein sanft um uns schleichender Mond geworden ist, und die im Nachsommer den weiblichen Artikel verdient, nicht satt sehen können, wenn ich nicht mein Auge nach Scheeraus Berge richten, müßte, wo meine Guten wohnen und von wannen heute mein Doktor mich besuchen wird. – –
Unter die Erde ist nun der Tag und seine Sonne. Komme glücklich heim, geliebter Freund! Auf den Silber-Grund, den der Mond auf deinem Weg anlegt, male deine Seele das verlorne Eden der Jugend, und der schwarze Schatten, den du und dein scheues Roß auf den Strahlenboden werfen, müsse euch nachschwimmen, aber nicht voraus! –
Warum sind die meisten Einwohner dieses Buchs gerade Fenks Freunde? – Aus zwei recht vernünftigen Gründen. Erstlich verquickt sich das humoristische Quecksilber, das aus ihm neben der Wärme des Herzens glänzt, mit allen Charakteren am leichtesten. Zweitens ist er ein moralischer Optimist . Zehn metaphysische Optimisten würd’ ich für einen moralischen auszahlen, der nicht ein Kraut, wie die Raupe, sondern einen ganzen Blumenflor von Freuden, wie der Mensch, zu genießen weiß – der nicht fünf Sinnen, sondern tausend hat für alles, für Weiber und Helden, für Wissenschaften und Lustpartien, für Trauer- und Lustspiele, für Natur und für Höfe. – – Es gibt eine gewisse höhere Toleranz, die nicht die Frucht des Westfälischen Friedens noch des Vergleichs von 1705, sondern die eines durch viele Jahre und Besserungen gesichteten Lebens ist – diese Toleranz findet an jeder Meinung das Wahre, an jeder Gattung des Schönen das Schöne, an jeder Laune das Komische und hält an Menschen, Völkern und Büchern die Verschiedenheit und Eigentümlichkeit der Vorzüge nicht für die Abwesenheit derselben. Nicht bloß das Beste muß uns gefallen; auch das Gute und alles. –
Als die Leute aus der kleinen und ich aus der großen Kirche zurück waren, fing man im Wutzischen Hause das Dinieren an. Unser Brotherr empfing das Gast-Paar mit seiner gewöhnlichen Freundlichkeit und mit einer ungewöhnlichen dazu; denn er hatte heute aus seiner Kirchenkollekte – er kroch nach dem Gottesdienst in alle Stühle und zog alle unter dem Einlegen niedergefallnen Pfennige magnetisch an sich – eine ansehnliche Silberflotte von 18 Pfennigen mitgebracht. Die Pracht des Mahls erdrückte in dieser Stube das Vergnügen nicht. Messer und Gabel waren, wie schon gesagt, von Silber und von mir; aber wer sollte nicht damit mit Vergnügen an einer Tafel agieren, wo der Braten und die Sauce aus einer – Pfanne gespeiset werden? – Unsere Schaugerichte waren vielleicht für einen Kurfürsten zu kostbar: denn sie bestanden nicht etwa aus Porzellan, Wachs oder aus Alabaster-Sämereien auf Spiegelplatten und waren nicht etwa bloß wenige Pfund schwer: sondern die beiden Schaugerichte wogen sechzig und waren vom nämlichen Meister und von der nämlichen Materie wie die Kurfürstenbank, von Fleisch und Blut, nämlich Wutzens Kinder. Ein geistlicher Kurfürst würde vor
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