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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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er von Gustav auch; aber unten werden wir eben sehen.
    Gustav fühlte im alten Schlosse – indes über seine Ohrennerven alle Visitenräder gingen und alle Besuch-Prozessionen um seine Augen schwärmten – sich toten-allein. Er arbeitete sich in seine künftige Bestimmung hinein. Mehr als funfzig Gesandtschaftschreiber werden daher denken, er lernte Briefe und Herzen aufmachen, Weiber und Berichte dechiffrieren, Amour, Cour und Spitzbübereien machen – die funfzig Schreiber irren; sie werden ferner denken, er lernte klein schreiben, um das Porto zu schwächen, ferner Chiffern und Titel machen, ferner wissen, wessen Name im öffentlichen Instrument, das an drei Potenzen kommt, zuerst stehe – und daß jede Potenz in ihrem Instrument zuerst stehe – sie haben recht; aber er tat mehr: er lernte in der Einsamkeit die Gesellschaft ertragen und lieben. Fern von Menschen wachsen Grundsätze ; unter ihnen Handlungen . Einsame Untätigkeit reift außer der Glasglocke des Museums zur geselligen Tätigkeit, und unter den Menschen wird man nicht besser , wenn man nicht schon gut unter sie kommt.
    Seine Geschäfte gingen in schöne Unterbrechungen über. Denn vor seinem Fenster draußen stand die schöne und fast kokette Natur von Paris-Äpfel umhangen und mitten in ihr eine Spaziergängerin, die die Äpfel alle verdiente. Wer kann es sein als – Beata? – Ging sie in den Park: so wars ihm ebenso unmöglich, ihr nachzuspazieren, als ihr nicht nachzuschauen durchs Fenster, und seine Augen suchten aus dem Gebüsche alle vorbeiblinkende Bänder heraus. Wandelte sie rückwärts mit dem Gesichte gegen seine Fenster: so trat er nicht bloß von diesen, sondern auch von den Vorhängen so weit wie möglich zurück, um ungesehen zu sehen. Vielleicht (aber schwerlich) kehrten sich die Rollen um, wenn er nach ihr sich auf ihre Gänge wagte, die für ihn Himmelwege waren. Eine herabgewehte Rose, die er einmal in der dunkelsten Nacht unter ihrem Fenster aufhob, war eine Ordenrose für ihn, ihr welker Honigkelch war das Potpourri seiner schönsten Träume und seines Freudenflors: – so legest du, hohes Schicksal, für den ewigen Menschen seinen Himmel oft unter ein falbes Rosenblatt, oft auf den Blütenkelch eines Vergißmeinnichts, oft in ein Stück Land von 305 000 Quadrat-Meilen. –
    Wer zu viel verziehen hat: will sich nachher rächen. Gustavs Freundschaft gegen Amandus war in eine so hohe Flamme aufgeschlagen, daß sie notwendig Asche auf ihren Stoff herunterbrennen mußte. Wenn er Beaten nachblickte, blickte er auf Amandus zurück und tadelte sich so oft, daß er anfangen mußte, sich zu rechtfertigen. Was vom Aschenberg, worunter seine Liebe glimmte, abgetragen wurde, wurde dem Aschenberge seiner Freundschaft zugeschüttet. Gleichwohl würde er zu jeder Stunde für Amandus alles geopfert haben, was das Volk Freuden nennt; – denn in der neuen Zeit einer ersten Freundschaft werden Opfer noch wärmer gesucht, als in der spätern gebracht, und der Geber ist beglückter als der Empfänger. O! die rechte Seele hat nicht bloß die Kraft, sondern auch die Sehnsucht, aufzuopfern. – Das Leben, das Gustav jetzo von Frühling und Garten und von Wünschen der Liebe umgeben genoß, soll er selber malen in seinem Briefe an mich. Diesen Brief werden freilich die verwerfen, die vor dem Natur-Schauspiel als kalte Zuschauer, als entfernte Logen-Pächter stehen; aber es gibt bessere und seltnere Menschen, die sich für hineingerissene Spieler halten und jede Grasspitze für beseelt ansehen, jedes Käferchen für ewig und das unbändige Ganze für ein unendliches schlagendes Adersystem, in welchem jedes Wesen als ein saugendes und tropfendes Ästchen zwischen kleinern und größern pulsiert und dessen volles Herz Gott ist. – –
     
     
    *
     
    Gustavs Brief
    »Heute stieg ich zum zweiten Male aus meiner Höhle in die unendliche Welt – alle meine Adern fluten noch vom heutigen Nachmittage, mein Blut möchte sich mit den Erden um die Sonnen drehen und mein Herz mit den Sonnen um das funkelnde Ziel, das neben dem Schöpfer steht….
    Die Nachtluft, die mein Licht umkrümmt, kühlet mich vergeblich ab, wenn ich nicht die brennende Brust vor dem Auge des Freundes aufdecke und ihm alles sage. Ich nahm nachmittags mein Reißzeug, womit ich bisher statt der Landschaften die Festungen, die sie verwüsten, schaffen müssen, und ging ins stille Land hinaus. Der Erdball glitt so leise wie der Schwan unter den Blumeninseln, an die ich mich lagerte,

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