Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
so teilte er in seinem Kopf, eh’ er es zieren half, Personen und Rollen aus, und sich die längste: – den einzigen Fehler beging er allemal, daß, wenn er endlich auf die Bühne kam und spielen sollte, er nicht spielte. Eh’ er in eine große Gesellschaft ging, wußt’ er Wort für Wort, was er sagen wollte; kam er wieder heraus, so wußt’ er (in der Kulisse) auch, was er hätte sagen sollen – aber gesagt hatt’ er darin weiter nichts. Es kam nicht von Menschenfurcht; denn es war ihm fast leichter, etwas Kühnes als etwas Witziges zu sagen; sondern davon kams, daß er das Gegenteil einer Frau war. Eine Frau lebt mehr außer als in sich, ihre fühlende Schnecken-Seele legt sich fast außen um ihre bunte Körper-Konchylie an, sie zieht ihre Fühlfäden und Fühlhörner nie in sich zurück, sondern betastet damit jedes Lüftchen und krümmt sie um jedes Blättchen – mit drei Worten: das Gefühl, das der Arzt Stahl der Seele von der ganzen Beschaffenheit ihres Körpers zuschreibt, ist bei ihr so lebendig, da sie in einem fort fühlt, wie sie sitzt und steht, wie das leichteste Band aufliegt, welchen Zirkelbogen die gekrümmte Hutfeder beschreibt – mit zwei Worten: ihre Seele fühlt nicht nur den Tonus aller empfindlichen Teile des Körpers, sondern auch den der unempfindlichen, der Haare und der Kleider – mit einem Worte: ihre innere Welt ist nur ein Weltteil, ein Abdruck der äußern.
    Bei Gustav aber nicht; seine innere Welt steht weit abgerissen neben der äußern, er kann von keiner in die andre, die äußere ist nur der Trabant und Nebenplanet der innern. Seiner Seele – in den Gehirn-Weltglobus, den der Hut bedeckt, eingesperret – verbauen die bunten eignen Gewächse, auf denen sie sich wiegt und vergisset, die Aussicht auf die Gegenstände jenseits ihres Körpers, die nur dünne Schatten auf ihre Gedanken-Auen werfen; sie sieht also die äußere Welt nur dann, wenn sie sich ihrer erinnert ; dann ist diese in die innere versetzt und verwandelt. Kurz Gustav beobachtet nur das, was er denkt, nicht was er empfindet. Daher weiß er niemals seine Ideen und Worte mit den vorüberschießenden Ideen und Worten andrer Leute zu amalgamieren. Der Hofmann schraubt auf und zu, und die Kaskaden seines Witzes springen und schimmern – Gustav hingegen wirft erst den Eimer in den Ziehbrunnen und will darin den Trunk mit der Zeit herausdrücken. – Eine feinere Ursache geb’ ich unten an.
    Oefel rühmte ihm am Morgen dieses wichtigen Souper so viel von Beaten vor, er würde heute ihr coeur so sehr im Gleichgewichte mit dem esprit der Residentin sehen, – daß er alles Sehen verwünschte und einen zweiten Grund bekam, sein schweres Herz ins stille Land zu tragen. Sein erster war: er schickte sich allemal zu einer großen Gesellschaft dadurch an, daß er vorher in die größte ging – unter den großen blauen Himmel. Hier unter kolossalischen Sternen, an der Brust der Unendlichkeit, lernt man sich erheben über metallene Sterne neben das Knopfloch genäht; von der Betrachtung der Erde bringt man Gedanken mit, durch die man die Erdstäubchen, die man Menschen nennt, kaum wirbeln sieht – und die farbigen Gold-Insekten, womit sich das Gewächsreich musivisch stickt, werden von der Gold- und Juwelenstickerei der Hofpracht nicht übertroffen, nur nachgeahmt. – Gegenwärtiger Verfasser stattete allemal dem großen Erd- und Himmelzirkel einen Besuch vor und einen nach dem Besuche ab, den er einem kleinern Cercle machte, damit der große die Eindrücke des kleinen verhütete und verlöschte.
    Ich werde rot, wenn ich mir denke, wie unbehülflich sich mein Gustav durch zwei Vorzimmer in einen Salon mag haben führen lassen, wo wenigstens schon an sieben Spieltischen Streiter saßen. Feinheit der Denkart ist Anlage, Feinheit des Ausdrucks ist eine Frucht, wozu nicht gerade Hofgärtner nötig sind; aber Feinheit des äußern Anstands ist nirgends zu holen als da, wo sie alles gilt in der großen Welt voll Mikrokosmen . Sollt’ ich von letzterer Feinheit mehr aufzuweisen haben, als man gewöhnlich bei meinem Advozier-Stand sucht: so bin ich nie so eitel, sie aus etwas anderem abzuleiten als aus meinem Leben am Scheerauer Hof. – Die Residentin (Beata ohnehin nicht) spielte selten, und mit Recht: eine Frau, die mit ihrem Gesichte andre Herzen gewinnen kann als lackierte auf der Karte und die den Männern einen andern Kopf nehmen kann als den auf Metalle gedruckten, tut übel, wenn sie sich mit dem Kleinern begnügt,

Weitere Kostenlose Bücher