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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Herz und seine Zeichenfeder an, um diese drei Dinge zu verrücken! Sie zittern wenigstens alle, indem die Mutter die Händchen der Laura in eine malerische und kindliche Umschlingung legt – indem sie schweigend, traurend, mit den Lippenwellen gegen den Kummer des Auges streitend, ihm denkend in das seine blickt und mit der nächsten Hand das Haar der Kleinen spielend krümmt – – Wahrhaftig zehnmal dacht’ er: wenn ein Engel einen Körper umtun wollte, der menschliche wäre nicht zu schlecht dazu, und er könnte in dieser Reise-Uniform in jeder Sonne erscheinen!
    Seine Zeichnung wurde so treffend, daß der Residentin vielleicht ein paar Unähnlichkeiten lieber gewesen wären – sie hätten größere Ähnlichkeit ihres zweiten Bildes in ihm angesagt. Sie kam jetzt durch sanfte, nicht wie sonst scherzhaft-springende Übergänge von seinem Maler-Lohn und von den Nachteilen seiner Erziehung auf die Vorbereitungen zu seiner Legationrolle – sie deckte ihm, aber mit langsamer vertraulicher Hand, seinen Mangel an Welt auf – sie bot ihm ihren Zutritt zu sich an und lud ihn zum Souper auf morgen ein. –»Aber vormittags«, setzte sie lächelnd hinzu, »kommen Sie nicht schon; Beata will durchaus nicht gemalet sein.«
    – – Der Leser hat im ganzen Buche noch nicht drei Worte reden oder schreiben dürfen: jetzt will ich ihn ans Sprachgitter oder ins Parloir lassen und seine Fragen nachschreiben. »Was hat denn« – fragt er – »die Residentin vor? Will sie aus Gustav ein gezähntes Kammrad schnitzen, das sie in irgendeine unbekannte Maschine setzet? – Oder bauet sie den Jägerschirm und zwirnt die Prallnetze, um ihn zu fällen und zu fangen? – Wird sie wie jede Kokette dem ähnlich, der ihr nicht ähnlich werden will, wie nach Platner der Mensch das, was er empfindet, so sehr wird, daß er sich mit der Blume bückt, und mit den Felsen hebt?«
    – – Der Leser bemerke, daß der Leser selber hier Witz hat, und gehe weiter! – –
    »Oder« (geht er also weiter) »geht die Residentin nicht so weit, sondern will sie aus Edelmut, worüber man oft die optischen Kunststücke ihrer Koketterie verzeiht, den schönsten uneigennützigsten Jüngling aus den schönsten uneigennützigsten Gründen aufsuchen und ausbilden? – Oder könnens nicht auch alles bloße Zufälle sein – und nichts leuchtet mir so ein –, an welche sie, als Rennerin durch Lusthaine, die flatternde Schlinge eines halben Planes fliehend befestigt, ohne in ihrem Leben am andern Tag nach dem strangulierten Fang der Dohnenschnait im mindesten zu sehen? – Oder irr’ ich gänzlich, lieber Autor, und ist vielleicht von allen diesen Möglichkeiten keine wahr?« – Oder, lieber Leser, sind sie alle auf einmal wahr, und du errätest darum eine Launenhafte nicht, weil du ihr weniger Widersprüche als Reize zutrauest? – Der Leser bestärket mich in meiner Bemerkung, daß Personen, die niemals die Gelegenheit haben konnten, der großen Welt tägliche Klavierstunden zu geben (wie z. B. leider der sonst treffliche Leser), zwar alle mögliche Fälle irgendeines Charakters vorzurechnen, aber nicht den wirklichen auszuheben vermögend sind. – Übrigens verlasse sich der Leser auf mich (der ich schwerlich ohne Grund Vorzüge verkleinern würde, die mir selber ansitzen), übrigens hat er die Armut an gewissen konventionellen Grazien, an gewissen leichten modischen und giftigen Reizen, die ein Hof nie versagt, weit weniger zu bedauern, als andre Höflinge – der Autor wünschte, nicht darunter zu gehören – ihren Reichtum an dergleichen Gift-Spezies wirklich zu beklagen haben; denn auf diese Art blieb er ein ehrlicher und gesunder Mann, der Herr Leser; aber wer ihn kennt, würde der Bürge gewesen sein, daß er, falls alle Bänder und Zügel der großen Welt an ihm gezuckt und gezogen hätten, außer seiner Ehrlichkeit auch seine Unähnlichkeit mit den Leuten von Ton behalten hätte, die die Mißhandlung des schönsten Geschlechts mit verlorner Stimme und verlornen Waden büßen, wie (nach den ältesten Theologen) die Weiber-Versucherin, die Schlange, die vorher reden und gehen konnte, durch die aktive Verführung Sprache und Beine verscherzte?…

Dreißigster oder XXIII. Trinitatis-Sekto r
     
    Souper und Viehglocken
    Heut’ arbeit’ ich im Hemd wie ein Hammerschmied, so abscheulich lang und schwer ist der dreißigste Sektor. – Da Gustav von Oefel erfuhr, daß ein kleines Souper bei der Residentin so viel heiße wie bei uns das größte,

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