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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Herde Reginens ähnlich klangen und die mithin die ganze Jugendszene mit ihren Tönen wieder in seine Seele setzten…. In einer solchen Stimmung hätt’ er in einer National-Versammlung geredet ; auch machte der Tumult, der beide einfaßte, sie einsamer und vertraulicher: kurz er erzählte ihr mit Feuer und historischen Auslassungen seine Schäferei mit einem Lamm auf dem Berg. – Dieses Schwärmen steckte sie (wie jedes alle Weiber) so sehr an, daß sie anfing – zu schweigen .
    Die Not zwang beide, jetzt einen äußern Gegenstand (wie ein Schwert im fürstlichen Bett) zwischen ihre zusammenfließenden Seelen zu bringen – sie sahen auf die beiden Gärtners-Kinder unten hinab, und zwar so begierig, daß sie nichts sahen. Der Junge sagte: »Mich hat das Fräulein (Beata) so lieb« und streckte beide Arme auseinander – das Mädchen sagte: »Mich hat der Herr (Gustav) so groß lieb, wie das Schloß« – »und mich«, replizierte er, »so groß wie den Garten« – »und mich«, exzipierte das Mädchen, »so groß wie die ganze Welt.« Darüber konnten die Flügel des Jungen nicht hinaus, und hätten seine Schwanzfedern über den Katheder-Horst hinausgestochen. Jedes zählte dem andern die Liebepfänder, die es von den oben über gegenseitigem Lob erfreueten Zuhörern erhalten hatte, und sagte bei jedem Stück: »Hast du das g’kriegt?« –
    Mit jenem hastigen Sprung der Kinder zu einem neuen Spiel sagte das Mädchen: »Jetzo mußt du der Herr (Gustav) sein; und ich will das Fräulein (Beata) sein. Jetzo will ich dich liebhaben, nachher mußt du mich.« Sie strich ihm sanft die Backen und dann die Augenbraunen und endlich die Arme und manipulierte den Herrn. »Jetzo mich!« sagte sie mit schnell herunterhängenden Armen. Der Junge warf seine Arme so eng um ihren Hals, daß die zwei Ellenbogen sich durchschnitten und schürzten und als überflüssige Bandschleifen über den Liebeknoten hinausragten; er küßte sie derb. Plötzlich fand ihre kritische Feile einen verdammten Anachronismus an diesem historischen Schauspiele, und sie sagte fragend: »Ja, der Herr und das Fräulein haben sich ja nicht lieb?« –
    Das war zu viel für die Frontloge oben, die zugleich das Auditorium und das Original der kleinen Spieler war, und die Kopie derselben zu werden in Gefahr geriet. Gustav hielt das Augenlid gewaltsam offen, damit es das Wasser, worin sein Auge stand, zu keiner sichtbaren auf die Wange fallenden Träne vereinigte – und die gerührte Beata ließ, ohne oder mit Absicht, ihre Rose abgeknickt zu Boden zittern: er bückte sich nach ihr lange und ließ seine Träne verborgen wegsinken; aber da er ihr die Rose gab und beide furchtsam die gesenkten Augen auf der Blume versteckten und hefteten und da sie ein herspringender Tropf unterbrach: so standen plötzlich ihre aufgeschlagnen Augen einander wie der aufgehende Vollmond der untergehenden Sonne gegenüber und sanken ineinander, und in einem Augenblick unaussprechlicher Zärtlichkeit sahen ihre Seelen, daß sie einander – suchten.
    Der springende Tropf war Oefel, der Beatens Arm haben wollte, sie in den Speisesaal zu führen. Jetzt, Leser, trag’ ich dir statt lebendiger Rosen (wie unser Seelen-Paar ist) lauter in Butter gesottene Rosen auf. Sechs- oder siebenundzwanzig Gedecke, glaub’ ich, waren. Ich will hier statt eines Küchenzettels einen Passagierzettel der Gäste verfertigen. Erstlich waren am Tische und im Schlosse zwei keusche Menschen – Beata und Gustav; welches ein Beweis ist, daß schöne Seelen an allen Orten wachsen, sogar an den höchsten : so ließ der Kaiser Joseph jährlich einige Nachtigallen in den Augarten werfen, damit man da was hörte.
    Nro. 2 war der Fürst, der in seinem kurzen Leben mehr Weiber in der Nähe gesehen als der Ochs Apis , dessen Leben doch so lang war wie das ägyptische Alphabet. Er war an dieser Tafel, was er auf seinen Reisen an mancher table d’hôte nicht zu sein vermochte, der Bruder Redner und der Hauptwind unter 63 andern Nebenwinden. Seine Krone hatten sämtliche Damen auf.
    Nro. 3 war sein apanagierter Bruder, den der gekrönte haßte, nicht weil er zu viel Volkliebe hatte und verdiente, sondern weil er einmal todkrank war und nicht starb, sondern von der Apanage fortlebte. Das Gerippe dieses Bruders würde den Fürsten, wie ein jedes Gerippe Ägypter und Griechen, zu einem freudigern Genuß des Gastmahls überredet haben.
    Nro. 4 war ein Michaelisritter aus Spaa (Herr v. D.), dessen Ordenstern in

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