Saemtliche Werke von Jean Paul
er schon verübte - - o meine Mutter! ICH. Wie? er wird doch —
ELOISE. Er blos ist schuld, daß sie nun modert. Sein hartes Verfaren mit ihr, das vom Geiz entstand, raubt’ ihr iedes Vergnügen, verbittert’ ihr iede Freude. Endlich zerte der Kummer in ihr alle Lebenskraft auf — und sie ist nicht mer, für mich Unglükliche nicht mer. (Sie bükt mit nassen Augen gen Himmel) Und eben dieses Laster wird mich bald hinlief —
ICH. Halten Sie innen! Er ist nicht blos Her! der Tyran!
ELOISE. Ich bin unglüklich, so lang ich bei ihm bin. Ich werd’ es weniger sein, wenn er mich zu meiner Tant’ hintun wird - — und hier, Lieber, wollen wir oft —
ICH. Wont Ihre Tant’ an dem Orte, we mein Freund Karl sich befindet? Das wär ein Glük!
ELOISE. Ja! und in vierzehn Tagen werd’ ich ankommen. Deswegen bitt’ ich Sie, verschonen Sie mich wenigstens so lange mit Ihrer Gegenwart - die mir. so lieb ist - bis ich an diesem Orte bin. Mein Vater möchte Verdacht schöpfen. Dan aber wollen wir oft —
Sie wurd’ unterbrochen. Denn ihr Vater kam gerade zur Gartentürherein. Wie unerträglich mir sein Anblik war! Der Teufel wäre mir weniger hassenswert gewesen, als dieser Quäler der Unschuldigen. Nun mer glaubt’ ich ihm wenig Verbindlichkeit mer schuldig zu sein, da ich das Glük mit seiner Tochter zu sprechen, on’ ihn zu befürchten, haben konte. Ich nam deswegen kalt von ihm Abschied. Das holländische Tuch versprach er mir nachzuschikken. Lebewol! das war viel geschrieben.
am 20 August.
Eine Szene, wie sie oft unter Freunden vorgeht, wil ich dir iezt beschreiben. Du weist aus meinen vorigen Briefen schon, daß ich und mein Karl ein wenig Uneins geworden sind. Ich kam Abends von meiner Heloise nach Haus. Auf die Frage meines Freundes, we ich gewesen wäre, gab ich fast ungestüm zur Antwort, auf dem Felde. Mich verdros es schon, daß er darnach gefragt hatte. Den ändern Tag schikte mir Heloisens Vater das holländische Tuch. Ich muste nun meinem Freund die Lüge gestehen. Es war mir unerträglich, nur um ihn zu sein. Aber Freund! ich traue dir zu viel Kentnis des menschlichen Herzens zu, als daß ich vermuten könte, du hieltest mein Betragen gegen meinen Freund für Bosheit des Herzens. Es ist ein eigen Ding mit dem Menschen. Je mer zwei Freund’ in eins zusammenfliessen, ie wärmer ihre Freundschaft ist; desto mer kontrastirt eine kleine Mishelligkeit mit der vorigen Liebe. Eben die Empfindlichkeit des Herzens, die sie zur Liebe stimt, stimt sie auch bei veränderten Umständen zum Hasse. - Ich hätte weinen mögen. Um mir Luft zu machen, gieng ich hinaus in’s freie Feld. Es war eine Stunde vor dem Sonnenuntergang. Ich lagerte mich auf einem Hügel, we ich ein weites Korngefilde, blumigte Wiesen, übersehen konte. Ich dachte so über mich nach. Mein Geist rufte die dämmernden Vorstellungen von den Tagen der Jugend, von ihren Freuden zurük. Ich lag so dort - und sah’ hinaus in die weite Welt - sente mich. Es wurde mir eng. Wie glüklich warst du, dacht’ ich, als du noch in unbesorgtem Kindheitssin alle Freude so warm genössest - als du dich freuetest über iede Kleinigkeit - als dir die Morgensonne behagte, weil ihr Stral dich wärmte - als der Abendsonnenstral dir gefiel, weil er so rot schien - als der Mond dich freute, weil er so hei schimmerte - — als noch in dir nicht Stürme das Herz durchwüteten - als du noch stil warst. Was ist der Mensch! Ich lag so da - ich übersah’ die weite Gegend, we der untergehenden Sonne roter Glanz durch die wallende Kornsat durchbrach, als die Lerche dem Schöpfer ihr Abendlied wirbelte, als ich im Dorf vom mosbewachsenen Turn herab die dumpfe Gebetglokke schallen hörte, als es dunkel wurd’ im Tal, und dunkler und immer dunkler die Röte den Horizont umschattirte, als das küle Abendlüftgen im hohen Grase, in den Buchen säuselte, als die Heuschrekk’ in den Kornblumen ihren einförmigen Gesang so fortsumsete — da erinnert’ ich mich, meinen Freund, Karl, so beleidigt zu haben - da ergrief mich’s. Ich eilte, um ihn um Vergebung zu bitten. Ich fand ihn endlich in seiner Studierstube, we er ein klagendes Adagio spielte, das so dumpf durch die bebende Sele tönte. Ich ergrief hastig seine Hand, sagte: verzeih, Freund! mir Bösewicht! Ach hier wandt’ er sich um, sah mich an und weinte Vergebungstränen - er drükte mir die Hand, und zog mich an’s Fenster, we der Mond durch die Bäum’ herdurchschimmerte, und ein Bach sanft murmelnd im
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