Saemtliche Werke von Jean Paul
stillen Nacht, so leise sang sie die melancholischen Töne. Ich konte mich kaum mer halten. Ich umschlang meine Geliebte! O ich wagt’ es, meine Lipp’ an die ihrige zu drükken. Ha! wie Lebensglut den Sterblichen durchströmte! Wie alle Welt um mich her vergieng!
- — Wir weinten, und Hessen unsre Tränen an unsre Busen fallen. Ich sank an sie hinan, verhülte das Antliz - meine Sele begerte aufgelöst zu werden - mit ihr - und dan hinzueilen, we kein schwacher Körper mer den Geist entstält [!] al die Wonnen zu fassen. Karl rufte mich - ich wachte wie vom Traum auf: redete kein Wort. Gieng nach Hause. - Wie wenig werd’ ich heut schlafen können; denn die Bilder der eingesaugten Wollust glühen zu tief in meinem Gehirn - nichts wird sie tilgen! - Leb’ wol!
am 1 Septemb.
Ich mus fort zu meinem Vater. Ich mus auf die Akademie - o wie wird’s mir! Von ihr - von ihr - sol ich. Und wie lange? Ich schwindle. Ich werde wieder mit meinem Freunde in die Stadt gehen, um da zu valediziren. Viel wird es mich kosten, nur von ihr Abschied zu nemen - auf einige Zeit. Denn eh’ ich nach der Universität O- reise, mus ich noch einmal mit ihr reden - und dan scheiden - scheiden. - — ’
am 16 Sept.
Ich bin iezt zu Haus bei meinem Vater. Aber wie viel hat’s mich gekostet, mich loszureissen von diesem Engel. Ich sagt’ ihr nichts davon, von meiner Abreise - abends kam ich zu ihr und lud sie ein auf einen Spazziergang im nahen Wäldchen. Sie tat’s. Wir schlenderten so unbesorgt hin: und verweilten bis der Mond an zu leuchten fieng, der hinter dem Hügel heraufgieng. Wir wurden immer wehmütiger. Endlich sagte sie: Lieber Abelard! Wir lieben uns: aber dürfen wir auch?
ICH. Und wer wil’s verbieten? Got im Himmel freut sich darüber; und wer wär’ der Mensch? -
HELOISE. Ach mein Vater! Ach! wir beide sind für einander geschaffen - von Got bestirnt. Und mein Vater wird ein Band zerreissen, uns unglüklich machen.
ICH. Ich verstehe Sie nicht - ich zittere, was Sie sagen wollen.
HELOISE. Dies - Er hat mich schon, mich Elende - einem Menschen bestimt, der eben so lasterhaft, eben so unempfindlich ist, wie mein Vater.
Ich sank hin, vermocht’ nichts. Denn al seine Hofnung so verwelken, al die Wonnen, denen der Geist entgegenschmachtete, so entreissen sehen - in einen dunklen Abgrund, we kein Abend der Hofnung dämmert, hinabgeworfen werden - Freund! dazu ist’s Menschenherz zu schwach, es auszuhalten. Lieber! wenn du meiner Qual nicht nachempfinden kanst, so stelle dir [vor], du habest eine Geliebte, die dein Alles, deine Wonn’ ist; stel dir vor, du würdest dan hinabgeschleudert in den Abgrund, we kein Licht den Geist belebet, we alles schwarz vor dir steht, we dein künftiges Leiden dich wie ein Höllengespenst würget - und dan denke mich. Meine Geliebte tröstete mich wieder. Sie erzälte mir genauer, wie er auf der Universität wäre, we ich hinwolte, und wie er in etlichen Monaten zurükkommen würde, sie zu — Zitre Abelard! wie mich dies Wort ergrief so kalt - alles hin - hin, tönt’s in mir nach. Ach wir trösteten uns. Wir weinten. Wir redeten von Wiedersehen, vom Himmel. Wir kerten um. Vier Männer bringen eine Todenbar. Stil - giengen sie her. Meine Sele - war wie vernichtet. Meine Heloise fragte: was das wäre? Dumpf fängt hinten einer an zu reden: »Es ist, sagt’ er, ein armes Bauernmensch. Diese war immer melancholisch. Sie hatt’ einen Schaz gehabt, und der starb ihr im hizzigen Fieber. Seit der Zeit gieng sie immer mit nassen Augen herum. Sie redete mit keinem Menschen ein Wort. Endlich ersäufte sie sich. In diesem Wäldchen, we ihr Schaz liegt, wil sie auch neben ihn begraben sein.« Dumpfes Stilschweigen herscht’ um uns her, heiliges Dunkel umfinsterte den fürchterlichen Wald, graulich durchschimmerte des fliehenden Mondes Stral durch die zakkigten, finstern Bäume - umfassend durchschaurte das Bild der Selbstmörderin die bebende Sele - die stille Todesbare - das schwarze Leichentuch - ieder Schrit der Männer, die die Leiche trugen, durchhalte den schwindelnden Geist - Ruf’s im Geist zusammen al dies, Wilhelm! unddräng’sineinBild. Und dan — ich und meine Heloise sezten uns auf einen Stok. Ich unschlang sie, und seufzete tief aus den Tiefen der Sel’ heraus: »Du, gute Sel’! deren Körper iezt die nagenden Würmer närt, du, du kontest nicht ertragen, daß dein Geliebter hinschied vor dir, daß er dich verlies, und daß du einsam in der öden Schöpfung
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