Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Zweige lagen am Boden und zahlreiche Spuren von indianischen Moccassins ließen ihn erwarten, daß die seinige nicht so leicht aufgefunden werde.
Er ließ sein Pferd in das Wasser gehen, nahm Büchse und Pulverhorn hoch und schwamm stromab, den Verfolgern entgegen. Zwar wurde er von dem das Ufer besäumenden Gesträuch zur Genüge verdeckt, dennoch war sein Unternehmen ein beinahe tollkühnes, denn wenn er bemerkt wurde, so befand er sich beinahe wehrlos in den Händen seiner Verfolger.
Doch diese waren zu eifrig, als daß sie seinen Plan hätten errathen können. Er hörte sie nahen; sie sprengten draußen an den Büschen und an ihm im Galopp vorüber. Sofort brachte er sein Pferd wieder an das Ufer und durchbrach die Büsche. Noch war der letzte nicht so weit fort, daß er ihn nicht mit seiner Kugel hatte erreichen können. Er hob das Gewehr – ein einziger Moment des Zielens – der Schuß ertönte, und der Apache stürzte vom Pferde.
»O-hiii, o-hiii!« erklang der Siegesruf des Comanchen, und dann eilte er wieder längs des Flusses zurück.
Ein hundertstimmig scheinendes Geheul der Wuth entquoll den Kehlen der vier getäuschten Wilden. Sie rissen ihre Pferde herum und jagten, ohne dem Gefallenen nur einen Blick zu schenken, hinter Falkenauge wieder her.
War auch ihnen seine Büchse überlegen? Er wollte es versuchen.
Nachdem er wieder geladen hatte, maß er die Entfernung zwischen sich und ihnen. Sie genügte zu seinem Vorhaben. Er sprang vom Pferde, welches sofort wie eine Mauer stand, trat hinter dasselbe, so daß ihm der Leib des Thieres Deckung gewährte, und legte die Mündung der Silberbüchse in die Sattelhöhlung.
Die Apachen stutzten und zügelten ihre Thiere.
»Falkenauge, der Comanche,« rief er ihnen entgegen.
»Welcher Schakal will ihm den Skalp nehmen?«
Ein nochmaliges Geheul erscholl als Antwort, als sie den Namen des tapfersten ihrer Feinde vernahmen. Sie sahen ihn außerhalb der Tragweite ihrer Gewehre und glaubten, daß auch sie von einer Kugel nicht erreicht werden könnten.
»Die Apachen werden seine Haut abziehen und sein Herz den Geiern zur Speise geben,« rief Einer von ihnen. »Ihre Brüder sind hinter ihm und werden ihn erfassen!«
»Die Brüder der Hunde sind todt. Fünf Skalpe hängen am Sattel des Comanchen, und fünf Pferde suchen ihre Reiter hinter den Bergen!«
Sie erkannten die Skalpe und erhoben ein wo möglich noch furchtbareres Geheul als vorher.
»Der Mörder wird ihnen folgen in das Land der Schatten,« brüllte dann Einer und erhob die Büchse.
Der Schuß blitzte auf, aber die Kugel erreichte Falkenauge nicht.
»Die Apachen sind alte Weiber; sie haben nicht gelernt zu schießen. Der Comanche wird ihnen zeigen, wie man Hunde trifft!«
Auch seine Büchse donnerte, und Derjenige, welcher geschossen hatte, fiel, gerade in die Stirn getroffen, zu Boden. Mit scharfem Blicke sie beobachtend, blieb er, schnell wieder ladend, hinter seinem Pferde halten.
Wären sie jetzt auf ihn losgesprengt, so hätte er fliehen müssen. Der Grimm aber ließ sie nicht zur ruhigen Ueberlegung kommen. Sie schossen ihre Büchsen ab, trafen aber ebenfalls nicht.
Das war es, was er beabsichtigt hatte. Im Nu saß er auf dem Pferde und stürmte auf sie los. Im Laufe schießend, traf er den Einen der letzten drei Feinde in die Schulter. Die Anstrengung des Rittes und Aufregung des Kampfes hatte doch sein Blut in Wallung gebracht, so daß er im Reiten nicht mehr sicher zu zielen vermochte.
Die Büchse umkehrend, holte er zum Hiebe aus; da aber blieb sein Pferd an einer Wurzel hangen; es stürzte, seine Büchse flog weit fort, und ehe er sich aufzuraffen vermochte, erhielt er einen Schlag auf den Kopf, der ihn betäubte.
Als ihm die Besinnung wiederkehrte, sah er sich an Händen und Füßen gebunden am Boden liegen, und die beiden unversehrten Apachen waren beschäftigt, den Verwundeten zu binden.
»Der Comanche versteht nicht zu reiten; er ist ein Knabe, der vor dem Rosse zittert,« höhnte ihn Einer, der sein Erwachen bemerkte. »Die Söhne der Apachen werden ihre Brüder rächen und ihn martern zwei Sonnen lang!«
Er warf, ohne zu antworten, dem Sprecher einen Blick der Verachtung zu und schloß die Augen. Dennoch aber bemerkte er Alles, was um ihn her vorgenommen wurde.
Während der Verwundete zu seiner Bewachung zurückgelassen wurde, bestiegen die beiden andern ihre Pferde, um die drei Gefallenen herbeizuholen. Da der Erste derselben noch im Bereiche der Nebelberge lag,
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