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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wir dreimal herumtanzen sollen?«
    »Es scheint eine Buche zu sein.«
    »Und sehen Sie ‘mal weiter nach links; da schteht ooch een Boom, aber fast zweemal so weit. Was is das für eener?«
    »Eine Fichte.«
    »Schön. Wohin also sollen wir loofen?«
    »Nach der Buche.«
    »Ich werde aber gerade nach der Fichte rennen.«
    »Bist du toll!«
    »Nee. Ich loofe eben mit dem Kopfe nach der Buche, mit den Füßen aber nach der Fichte, obgleich es dorthin doppelt so weit is.«
    »Aber zu welchem Zwecke denn?«
    »Das werden Sie dann sehen und sich darüber freuen. Ich gloobe, daß ich mich in meinen Erwartungen nich täusche. Wenn ich diesem »schpringenden Hirsche« in die vordere Garnitur schaue, so scheint mir een Irrtum gar nicht möglich zu sein.«
    »Sei vorsichtig, Frank! Es handelt sich um das Leben.«
    »Na, wenn sich’s nur bloß ums Leben handelte, so brauchte ich mich gar nich anzuschtrengen. Wenn ich besiegt würde, so blieb ich dennoch leben. Der »große Fuß« hat zu schterben, und den Häuptling werden Sie ooch zu Boden bringen; gegen diese beede könnte ich ja ausgelöst werden. Also um mein Leben ist es mir gar nich bange; aber es handelt sich um die Ehre und Reputation. Soll denn schpäter in der Geschichte des vierten Viertels des neunzehnten Jahrhunderts zu lesen sein, daß ich, der Hobble-Frank aus Moritzburg, von so eenem indianischen Merinogesichte überschprungen worden bin? Das lasse ich mir nich nachsagen.«
    »Aber, so erkläre mir wenigstens deine Absicht. Vielleicht kann ich dir einen guten Rat erteilen!«
    »Danke ergebenst! Den Rat habe ich mir schon selbst gegeben und will meine Erfindungen ooch selber ausbeuten. Nur sagen Sie mir eens: Wie heeßt Fichte in der Utahsprache?«
    »Ovomb.«
    »Ovomb? Sonderbarer Name! Und wie würde der kurze Satz heeßen: nach jener Fichte?«
    »Intsch ovomb.«
    »Das is noch kürzer, zwee Worte bloß. Die werde ich nich vergessen.«
    »Was hat denn dieses Intsch ovomb mit deinem Plane zu thun?«
    »Es is der Leuchtschtern für meinen Dauerloof. Aber schtille jetzt; der Häuptling kommt!«
    Der »große Wolf« kam wieder. Er steckte eine Lanze in den weichen Grasboden und erklärte, daß der Todeslauf jetzt beginnen werde.
    »In welcher Kleidung?« fragte ihn der Hobble-Frank.
    »Wie es euch beliebt.«
    Frank entledigte sich aller Kleidungsstücke bis auf die Hosen; der »springende Hirsch« trug jetzt nur einen Lederschurz. Er blickte auf seinen Gegner mit einem Gesichte, welches Verachtung ausdrücken sollte, aber das Ebenbild der göttlichsten Borniertheit war.
    »Frank, gib dir Mühe!« mahnte Jemmy. »Denke daran, daß Davy und ich gesiegt haben!«
    »Weine nur nich!« tröstete der Kleine. »Wennste noch nich wissen solltest, ob ich Beene habe oder nich, so wirst du sie jetzt protuberanzieren sehen.«
    Da klatschte der Häuptling in die Hände. Einen schrillen Schrei ausstoßend, flog der »springende Hirsch« davon, der kleine Frank hinter ihm her. Die Bewohner des ganzen Lagers waren wieder versammelt, um den Wettlauf anzusehen. Ihrer Ansicht nach war es schon jetzt, nach drei, vier Sekunden, gewiß, wer der Sieger sein werde. Der Hirsch war seinem Gegner schon weit voraus und gewann mit jedem weiteren Schritte größeren Vorsprung. Die Roten jubelten. Es wäre Wahnsinn gewesen, zu behaupten, daß der Weiße den Roten noch ein- oder gar überholen könne.
    Geradezu wunderbar war’s, wie der Kleine seine Beinchen warf. Man sah sie fast nicht, so schnell bewegten sie sich, und doch hatte es, wenigstens für den genauen Beobachter, den Anschein, als ob er noch nicht alles leiste, sondern noch rascher laufen könne, wenn er wolle.
    Da wurden die Indianer unruhig; sie ließen einzelne Ausrufe des Hohnes, der Schadenfreude hören; sie lachten und glaubten wirklich, alle Veranlassung dazu zu haben. Der Grund war folgender: Die Buche stand in schnurgerader Richtung von dem Lager aus mitten in der Prairie, wohl nicht ganz dreitausend Fuß entfernt. Links von ihr, aber wenigstens zweitausend Fuß weiter, stand die erwähnte Fichte, und jetzt, da die beiden Läufer sich in dazu genügender Entfernung befanden, sah man deutlich, daß der Kleine sich nicht die Buche, sondern die Fichte zum Ziele genommen hatte. Er rannte, was die Beinchen nur hergeben wollten, auf sie zu. Das war freilich so lächerlich, daß den Indianern ihre Heiterkeit verziehen werden konnte.
    »Dein Gefährte hat mich falsch verstanden,« rief der Häuptling Old Shatterhand

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