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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schämen müßte. Ein Mensch, welcher um sein Leben läuft, läßt sich nicht vom Ziele aus noch so viel weiter schicken. Wenn er das thäte, so hätte er kein Gehirn, und diejenigen, zu denen er gehört, müßten sich schämen, ihn nicht besser geübt und erzogen zu haben. Nur ein Thor würde einen solchen Menschen mit einem Weißen um das Leben kämpfen lassen. Ich kann dich und deine Vermutungen nicht begreifen, da du durch dieselben deine eigene Ehre beleidigst.«
    Die Hand des Häuptlings fuhr in den Gürtel und krampfte sich um den Messergriff. Am liebsten hätte er den ebenso mutigen wie listigen und vorsichtigen Kleinen augenblicklich erstochen; aber die Worte desselben gaben keine wirkliche Handhabe zur Beschönigung einer solchen That, und er mußte also seinen Grimm hinunterschlucken.
    Der Hobble-Frank trat nun zu seinen Gefährten, von denen er mit stiller, aber desto herzlicherer Freude beglückwünscht wurde.
    »Hab’ ooch gesiegt, bist du mit mir zufrieden?« fragte er Jemmy in Bezug auf die Ermahnung, welche dieser ihm mit auf den Weg gegeben hatte.
    »Natürlich! Das hast du wirklich schlau angefangen. Es ist geradezu ein Meisterstück.«
    »Wirklich? So nimm’s treulich in dein Gedächtnis auf, pagena hundertsechsunddreißig, und schlag dieses Blatt immer dann off, wenn dir die Alimentation kommt, an meiner Überlegenheet zu zweifeln! Da kommt der »schpringende Hirsch«, aber nich geschprungen, sondern geschlichen. Er scheint een böses Gewissen zu haben und drückt sich off die Seite, als ob er Prügel bekommen sollte. Seht nur sein Gesicht! Und mit diesem Confusius habe ich mich messen sollen! Ja, ja, die Beene thun’s nich, selbst beim Wettloofen nich, sondern merschtenteels der Kopp!«
    Der Hirsch schien sich verschwinden lassen zu wollen; aber der Häuptling rief ihn zu sich und fuhr ihn an: »Wer hat gesiegt?«
    »Das Bleichgesicht,« lautete die furchtsame Antwort.
    »Warum bist du nach der Fichte gelaufen?«
    »Das Bleichgesicht log mich an. Es sagte, bei der Fichte sei das Ziel.«
    »Und du glaubtest es? Ich hatte dir das Ziel genannt!«
    Old Shatterhand übersetzte dem Hobble-Frank, daß er ein Lügner genannt worden sei. Darum verteidigte sich der verschmitzte Kleine, indem er sich an den Häuptling wendete: »Ich soll gelogen haben? Ich soll dem Hirsch gesagt haben, die Fichte sei sein Ziel? Das ist nicht wahr. Ich sah ihn an der Buche stehen; er betrachtete mich erstaunt und schien vor Angst und Sorge, was ich im Schilde führe, vergehen zu wollen. Da fühlte ich Mitleid mit dem Armen und rief ihm zu »Intsch ovomb!« Ich sagte ihm also, daß ich nach der Fichte wolle. Warum er dann an meiner Stelle hingelaufen ist, das vermag ich nicht zu enträtseln; vielleicht weiß er es selber nicht. Ich habe gesprochen. Howgh!«
    Old Shatterhand mußte innerlich lachen, daß der kleine ironische Tausendsasa sich der indianischen Ausdrucksweise bediente. Den Häuptling aber brachte das in noch größeren Zorn, er rief: »Ja, du hast gesprochen und bist fertig; aber ich bin noch nicht fertig und werde mit dir sprechen, wenn nachher die Zeit gekommen ist. Wort halten aber muß ich. Das Leben, der Skalp und das Eigentum des »springenden Hirsches« gehören dir.«
    »Nein, nein!« wehrte der Kleine ab. »Ich mag nichts haben. Behaltet ihn hier bei euch; ihr könnt ihn wohl gebrauchen, besonders wenn es einen Wettlauf mit einem Bleichgesichte um das Leben gilt.«
    Unter den Roten ging ein leises, zorniges Murmeln um, und der Häuptling knirschte ihm zu: »Jetzt magst du noch giftige Reden speien; später wirst du um Gnade wimmern, daß es bis zum Himmel schallt. Jedes einzelne Glied deines Körpers soll besonders sterben, und deine Seele soll stückweise aus dir fahren, daß dein Sterben viele Monde währt.«
    »Was könnt ihr mir thun? Ich habe gesiegt und bin also frei.«
    »Noch ist einer da, der noch nicht gesiegt hat, Old Shatterhand. Warte einige Augenblicke, so wird er vor mir im Staube liegen und um sein Leben flehen. Ich werde es ihm gegen das deinige schenken, und dann bist du mein Eigentum.«
    »Irre dich nicht!« warnte Old Shatterhand ernst. »Noch liege ich nicht vor dir. Und wenn dir gelänge, was noch keinem gelungen ist, nämlich mich zu besiegen, so würde ich nicht mein Leben um dasjenige eines andern eintauschen.«
    »Warte bis nachher! Jetzt bist du unverletzt; aber unter den Qualen, welche deiner warten, wird dein Stolz sich beugen und dein Sinn sich ändern, so daß du mir

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