Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Verwandtschaft. Das is nämlich so! Mein Vater hat eenen Paten gehabt, dessen selige Schwiegertochter sich in der Langenleube wieder verheiratet hat. Später schtarb sie, aber ihr Schtiefsohn hat eenen Schwager, und der is es, den ich meene.«
»So! Was war er denne?«
»Alles mögliche. Er war een ganzer Kerl, der alles fertig brachte. Bald war er Kellner, bald Kirchner, bald Bürgergardenfeldwebel und bald Hochzeitsbitter, bald –«
»Halt!« unterbrach ihn Droll, indem er herüberlangte und seinen Arm ergriff. »Wie war sein Name?«
»Seinen Vornamen kenne ich nicht mehr; aber sein Familienname war Pampel. Ich nannte ihn nur immer Vetter Pampel.«
»Wie? Pampel? Höre ich recht?« rief Droll. »Hatte er Kinder?«
»Die schwere Menge!«
»Wisse Se, wie Se geheeße habe?«
»Nee, nich mehr. Aber off den größten kann ich mich noch sehr gut besinnen, denn ich war dem Kerl gut. Er hieß Bastel.«
»Bastel, also Sebastian?«
»Jawohl, denn Sebastian wird off Altenburgisch Bastel ausgeschprochen. Ich gloobe, er hieß ooch noch Melchior dazu, een Name, der in Altenburg sehr gäng und gäbe is.«
»Richtig, sehr richtig! Es thut schtimme, es thut sehr genau schtimme! Sebastian Melchior Pampel? Wisse Se, was aus ihm geworde is?«
»Nee, leider nich.«
»So sehe Se mal mich an, schaue Se mal her zu mir!«
»Warum?«
»Weil ich es bin, der draus geworde is.«
»Sie – Sie?« fragte der Kleine.
»Ja, ich! Ich war der Bastel, und ich weeß noch ganz genau, wer bei uns off der Kirmse gewese is; des war der Vetter Frank aus Moritzburg, der nachher Forschtgehilfe geworde is.«
»Der bin ich, ich in eegener Person! Vetter, also hier, hier mitten in der Wildnis finden wir uns als schtammverwandte Menschen und Cousängs! Wer hätte das für möglich gehalten! Komm her, Bruderherz, ich muß dich an meinen Busen drücken!«
»Ja, ich ooch. Hier haste mich!«
Er langte herüber, und der andre langte hinüber. Die Umarmung war, da beide verkehrt auf ihren Pferden saßen, mit einigen Schwierigkeiten verbunden, welche aber zur Not überwunden wurden.
Die finster blickenden Indianer wußten jedenfalls nicht, was sie von dem Gebaren der beiden halten sollten; diese aber kehrten sich nicht an die bemalten Gesichter; sie ritten Hand in Hand nebeneinander, mit dem Rücken nach vorn, und sprachen von der seligen Jugendzeit. Sie hätten wohl noch lange kein Ende gefunden, wenn nicht im Zuge eine Stockung eingetreten wäre. Man hatte nämlich das Ende der Spalte erreicht, welche auf einen größeren und viel breiteren Canon mündete.
Zwar war die Sonne schon so tief gesunken, daß ihre Strahlen den Boden desselben nicht mehr erreichten, aber es gab doch Licht da und eine reine, bewegte Luft. Die Reiter atmeten erleichtert auf, als sie ins Freie gelangten, welches sie freilich nicht eher betraten, als bis sie vorsichtig Umschau gehalten hatten, ob keine feindlichen Wesen in der Nähe seien.
Dieser Canon war vielleicht zweihundert Schritte breit und hatte auf seinem Grunde ein kleines, schmales Flüßchen, welches man leicht durchwaten konnte. Am Wasser gab es Gras und Buschwerk, und auch einige Bäume standen da.
Die Roten wurden von den Pferden genommen und dann mit wieder gefesselten Füßen auf die Erde gesetzt. Nun erst war der richtige Augenblick zur ausgiebigen Begrüßung gekommen, und er wurde gehörig ausgenutzt. Diejenigen, welche sich bisher noch nicht gekannt hatten, lernten sich schnell kennen, und es dauerte gar nicht lange, so gab es keine andre Anrede als das trauliche »Du«. Davon waren natürlich Firehand, Shatterhand, Winnetou, der Lord und der Ingenieur ausgenommen.
Der Trupp Old Firehands hatte Proviant bei sich gehabt, und es wurde zunächst gegessen. Dann sollte über das Schicksal der Roten entschieden werden. Hierüber gab es mehr als eine Ansicht. Winnetou, Old Firehand und Old Shatterhand waren bereit, sie frei zu geben; die andern aber verlangten eine strenge Bestrafung. Der Lord meinte: »Bis dahin, wo die Zweikämpfe vorüber waren, halte ich sie nicht für strafbar, dann aber mußten sie euch die Freiheit geben. Statt das zu thun, haben sie euch verfolgt, um euch zu ermorden, und ich zweifle gar nicht daran, daß sie dies gethan hätten, wenn ihnen die Gelegenheit dazu geworden wäre.«
»Das ist sehr wahrscheinlich,« antwortete Old Shatterhand; »aber sie haben die Gelegenheit dazu nicht gefunden, und es also auch nicht gethan.«
»Well! So ist die Absicht strafbar.«
»Wie wollt Ihr
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