Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
geholt.«
»Wo werde nun diese Leute schtecke? Im öden, nackten Canon oder im bequemen Walde?«
»In dem letzteren.«
»Gut, also müsse mer uns hier sehr in acht nehme. Ich bin überzeugt, daß mer Grund habe, sehr vorsichtig zu sein.«
»So meenste wohl, daß wir den Wald vermeiden müssen?«
»Nee, aber offpasse müsse mer. Siehste vielleicht was Verdächtiges?«
»Nee, gar nischt.«
»Ich ooch nich. So wolle mersch also versuche. Rasch ‘nüber, und dann unter de Schträucher niedergeduckt und gehorcht, ob sich was regt. Vorwärts!«
Sie sprangen über die lichte, vom Monde beschienene Stelle hinüber. Bei den Bäumen angekommen, kauerten sie sich nieder, um zu lauschen. Sie hörten nichts; kein Blättchen regte sich; aber Droll sog die Luft ein und fragte leise: »Frank, schnuppere mal! Es riecht nach Rooch. Denkste nich?«
»Ja,« antwortete der Gefragte; »aber der Geruch is kaum zu bemerken. Es is nur eene halbe Ahnung von eener Viertelschpur von Rooch.«
»Weil’s weit herkommt. Mer müsse de Sache untersuche und uns näher schleiche.«
Sie nahmen sich bei den Händen und schritten langsam und leise vorwärts. Es war dunkel unter dem Kronendache, und sie mußten sich also mehr auf ihren Tastsinn als auf ihr Gesicht verlassen. Je weiter sie vorwärts kamen, desto bemerkbarer wurde der Rauchgeruch: freilich avancierten sie nur langsam. Dem Hobble-Frank mochte doch ein Bedenken gegen ihr gefährliches Unternehmen kommen, denn er fragte flüsternd: »Wär’s nich besser, wir ließen den Rooch Rooch sein? Wir begeben uns ganz nutzlos in eene Gefahr, die mir nicht komprimieren kann.«
»Eene Gefahr is es freilich,« antwortete Droll, »aber mer müsse es wage. Vielleicht könne mer unsre Freunde rette.«
»Hier?«
»Ja. Falls der »große Wolf« nich an unserm Lagerplatz bleibe will, wird er grad hierher komme.«
»Das wäre famos!«
»Famos? Na, na, es kann uns das Lebe koste!«
»Das schadet nischt, wenn wir nur unsre Gefährten retten. Jetzt kann es mir nich einfallen, umzukehren.«
»Recht so, Vetter; bist een tüchtiger Kerl. Aber List is besser als Gewalt. Also nur vorsichtig, nur vorsichtig!«
Sie schlichen weiter, bis sie stehen bleiben mußten, weil der Schein eines Feuers zu sehen war. Auch waren unbestimmte Töne, wie ferne Menschenstimmen, zu vernehmen. Der Wald schien sich nun mehr nach rechts auszubreiten. Sie folgten dieser Richtung und erblickten bald noch mehrere Feuer.
»Een großes, großes Lager,« flüsterte Droll. »Das werde de Utahkrieger sein, welche sich zum Zuge gegen de Navajos versammle. Da sind jedenfalls viele hundert beisamme.«
»Schadet nischt. Wir müssen näher. Ich will wissen, was mit Old Shatterhand und den andern wird. Ich muß – – –«
Er wurde unterbrochen, denn vor ihnen ertönte jetzt plötzlich ein viel-, vielstimmiges Geheul, nicht des Schmerzes oder der Wut, sondern des Jubels.
»Ach! Jetzt bringe se de Gefangene,« meinte Droll. »Der »große Wolf« kommt von Nord, und wir komme von Süd. Nun müsse mer unbedingt erfahre, was mer mit ihne anfange will.«
Bis jetzt waren sie in aufrechter Stellung vorwärts geschritten; jetzt mußten sie sich anschleichen. Sie legten sich also auf den Boden nieder und krochen weiter. Nach kurzer Zeit erreichten sie die himmelhoch scheinende Felsenwand, welche die östliche Grenze des Waldes bildete. Ihr entlang schlichen sie sich weiter, indem sie sich nebeneinander hielten. Sie hatten jetzt die Feuer zu ihrer linken Hand und erblickten sehr bald den kleinen See, an dessen Ufer das Feuer der Häuptlinge brannte. »Een Teich oder een See!« meinte Droll. »Das habe ich geahnt. Wo Wald is, muß ooch Wasser sein. Mer könne nich mehr weiter, weil das Wasser bis an den Felsen geht. Mer müsse also wieder nach links nebber.«
Sie befanden sich am südlichen Ende des Sees, an dessen westlichem Ufer das Feuer brannte, an welchem die Häuptlinge gesessen hatten. Sie krochen am Ufer hin, bis sie einen hohen Baum erreichten, dessen untere Äste man leicht mit den Händen erlangen konnte. Da wurde neue Nahrung in das erwähnte Feuer geworfen; die Flamme loderte hoch empor und beleuchtete die gefangenen Bleichgesichter, welche jetzt gebracht wurden.
»Jetzt müsse mer genau offpasse,« sagte Droll. »Kannste klettere, Vetter?«
»Wie een Eechhörnchen!«
»Dann roff off den Boom. Von da oben aus habe mer eene viel freiere und schönere Aussicht als hier unten.«
Sie schwangen sich hinauf und saßen dann oben
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