Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
zu bewahren seien, und hatte infolgedessen die Flaschen in seinen Gürtel gesteckt, aus welchem sie wegen ihrer glatten Oberfläche immer unten herausrutschen wollten. Darum war er unausgesetzt damit beschäftigt, sie immer und immer wieder in die Höhe zu schieben; er hatte die Hände nie zu etwas andrem frei, und da sein Pferd nicht das beste war und er es an der Zügelführung mangeln lassen mußte, wurde er tüchtig zusammengerüttelt und war, als man die Krokodilquelle erreichte, so ermüdet, daß er sogleich aus dem Sattel sprang, die Flaschen in das Gras stellte und sich daneben niederlegte.
Diese Quelle trug ihren Namen mit vollem Rechte. Mitten in der Sandwüste lag eine große Lagune, deren Wasser außerordentlich trüb und schlammig war. Sie wurde von einem breiten Schilfrande umsäumt, welcher seinerseits wieder von Tamarinden, Breas und baumartigen Kakteen umgeben war. Dieser Gürtel wurde an verschiedenen Stellen durch grasige Lichtungen unterbrochen, welche den Pferden willkommenes Futter boten. Auf einer dieser Lichtungen drang die Quelle aus dem Boden, um ihr Wasser in nicht allzugroßer Entfernung in die Lagune zu senden, wo es sofort seine Helligkeit verlor und trüber wurde.
Dieser letztere Umstand hatte seinen Grund darin, daß das Wasser der Lagune nie still stand, sondern unausgesetzt bewegt wurde, und zwar von Krokodilen, welche Jagd auf ihres- oder andersgleichen hielten und dabei den Schlamm fortwährend aufwühlten. Es war geradezu erstaunlich, zu sehen, in welcher Menge diese häßlichen Tiere hier vorhanden waren. Als Doktor Morgenstern sie erblickte, rief er erschrocken aus:
»Ist so etwas möglich! Das ist ja entsetzlich! Da sieht man ja dreißig, vierzig, sechzig auf einmal, welche übereinander wegstürzen! Was sagst du dazu, Fritze?«
»Wat ik sage? Jar nichts. Da bleibt mich jradezu der Mund offenstehen, und ik werde ihm wohl erst dann wieder zumachen, wenn mich eins hineinjefahren ist. Die sollte man im Rummelsburger See haben! Wat für ein Stralauer Fischzug müßte dat werden! Ik möchte nur wissen, wovon sie ihren Appetit befriedigen.«
»Wenn Sie aufpassen, werden Sie es baldigst sehen,« bemerkte der Vater Jaguar. »Wir haben uns dem Rio Salado wieder genähert und befinden uns in einer Gegend, welche von seiner jährlichen Überschwemmung erreicht wird. Das ist die beste Zeit für diese Bestien, welche dann vollauf Fraß finden. Ist die Überschwemmung vorüber, so tritt Fastenzeit für sie ein. Zunächst fressen sie Fische und andres Getier, welches aus dem Flusse in die Lagune gelangt ist. Hat das aufgehört, so treibt sie der Hunger, sich untereinander zu bekriegen. Die großen fressen die kleinen.«
»Und wenn keine kleinen mehr vorhanden sind, wat thun dann die jroßen?«
»Dann wissen sie sich nicht anders zu helfen, als daß
Da,« unterbrach er sich, »werden Sie es gleich sehen. Passen Sie auf!«
Gar nicht weit von ihnen waren in der Nähe des Ufers zwei mächtige Krokodile in Kampf geraten. Sie warfen sich gegen- und aufeinander, daß Schlamm und Wasser hoch aufspritzten. Nach kurzem Ringen hatten sie sich gegenseitig an den scharf bewehrten Kinnladen gepackt und so ineinander verbissen, daß sie nicht auseinander zu können schienen. Da schoß ein drittes heran und riß dem einen ein Bein aus dem Leibe, worauf es mit seinem Raube im Wasser verschwand. Das verletzte Untier ließ einen ganz eigenartigen, nicht zu beschreibenden Schmerzenston hören, welcher eigentlich kein Schrei genannt werden konnte, worauf sogleich mehrere andre herbeigeschossen kamen, aber nicht etwa, um’ ihm zu helfen, sondern um sich seiner zu bemächtigen. Es wurde förmlich in Stücke zerrissen, wobei ihm seine Rückenschilder nicht den mindesten Schutz gewährten.
»Da sehen Sie, wovon sie leben,« sagte Hammer. »Hat eins von ihnen, und wenn es das größte und stärkste wäre, einmal eine Verwundung erhalten, so ist es verloren; es wird von den andern aufgefressen. Und dabei sind diese Tiere von einer Feigheit, welche ihresgleichen sucht. Ich will es Ihnen beweisen.«
Er nahm sein Gewehr vom Rücken und drückte ab. Als der Schuß ertönte, verschwanden sämtliche Krokodile wie mit einem Schlage; die Wasser kräuselten noch einige Augenblicke und standen dann so ruhig, als ob in ihnen niemals irgend ein Leben geherrscht habe. Von den Ufern aber erhoben sich schreiend einige Stelzvögel, welche trotz der Krokodile im Schlamm nach Beute gesucht hatten, und aus den Zweigen der
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