Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
zuzutrauen, daß Sie eine Flasche gut zuzubinden verstehen! Hoffentlich erfahre ich bald mehr über diese Angelegenheit, und dann werden Sie mir Genugthuung geben müssen!«
»Sehr gern, Don Parmesan, aber nur jetzt noch nicht, denn, wie ich sehe, sattelt der Jaguar schon sein Pferd. Er will aufbrechen, und so haben wir leider zu nichts anderm Zeit.«
Es war, wie er sagte. Hammer rüstete sich zum Antritte der Weiterreise, und die andern mußten dasselbe thun. Dieser Ritt verlief genau so wie der vorhergehende. Man übernachtete des Abends in einsamer, sandiger Gegend und kam am nächsten Mittag an der Fuente gemela an.
Dieser Ort hatte, wie bereits erwähnt, seinen Namen daher, daß dort zwei Quellen nahe beieinander entsprangen, um dann bald ihr Wasser zu vereinigen; es war eine »Zwillingsquelle«, welche nach dem Zusammenfließen einen kleinen Bach bildete, der seinen Lauf nach einem See von wunderbar klarem, reinem Spiegel nahm. Dieser See war von beinahe kreisrunder Gestalt und konnte einen Durchmesser von wohl tausend Schritten haben.
Man merkte hier, daß man in nordwestlicher Richtung geritten war und sich also dem Äquator um einige Grade genähert hatte, denn die Umgebung des Sees zeigte schon eine mehr tropische Vegetation. Die Ufer waren von Tacuarasrohren umsäumt, welche eine Höhe von bis zu zehn Meter besaßen. Daran schloß sich eine Laurelenwaldung, in welcher einzelne Cribobäume eine angenehme Unterbrechung bewirkten. Sogar Caranday-Palmen waren schon zu sehen, und weiter zurück, wo der Boden weniger Feuchtigkeit besaß, konnte man die phantastischen Gestalten baumhoher Aloes erblicken. Dazwischen stand das Gras so hoch und dicht, daß es den Pferden bis an die Leiber reichte. Verschiedene Vögel, besonders Kolibris, bevölkerten die Zweige; im Grase gewahrte man die Fährten vierfüßiger Tiere, und an den See brauchte man nur zu treten, um zu sehen, daß sein Wasser reich an Fischen war.
»Hier brauchen wir nicht nur Fische zu essen,« meinte Geronimo, indem er auf die Fährte eines Hirsches deutete. »Vielleicht gelingt es uns, einen bessern Braten zu schießen.«
»Diese Fährte sagt uns, daß die Wüste zu Ende ist,« antwortete der Vater Jaguar, »denn der hiesige Hirsch geht nie weit über Wüstenland. Aber sie mahnt uns auch zur Vorsicht.
Wo es solches Wild gibt, da kann man auch leicht größeren Raubtieren begegnen, die wir aber« – fügte er lächelnd hinzu – »keineswegs fürchten. Seit Buenos Ayres habe ich keinen Jaguar gesehen, und der dort in der Arena war ein feiger Bursche.«
Man entsattelte die Pferde und gab sie zum Weiden frei. Dann wurden zwei Abteilungen gebildet, deren größere dem Fischfange obliegen sollte, während die kleinere mit Hammer ging, um nach dem Waffendepot zu suchen, welches hier wahrscheinlich auch vorhanden war. Gerade die große Üppigkeit der Vegetation erleichterte die Nachforschung. Auf dem Verstecke war sie jedenfalls nicht vorhanden, und so kam es, daß dasselbe sehr bald gefunden wurde, obgleich die Oase, welche der See mit seiner grünen Umgebung in der Wüste bildete, weit größer war, als diejenigen, in denen man bisher gelagert hatte. Die heimliche Niederlage wurde in der bereits beschriebenen Weise geöffnet, ihrer Vorräte beraubt und dann wieder zugemacht.
Nun hatte man drei solche Arsenale entleert, und die Waffen und Munitionsvorräte, welche man infolgedessen jetzt besaß, konnten nur auf die unbequemste Weise noch weiter mitgeführt werden. Es mußte den Pferden schwer fallen, das alles nebst den Reitern zu tragen. Wenigstens war an einen Ritt von derselben Schnelligkeit wie bisher nicht mehr zu denken.
Der heutige Fischzug war auch ein ergiebiger, doch wurden nur die größten und besten Fische den Netzen entnommen; die andern gab man in den See zurück, da man von nun an auch auf andres Fleisch rechnen konnte. In dieser Beziehung von den andern befragt, erklärte der Vater Jaguar:
»Es fliegen hier zahlreiche Kolibris, welche gewöhnt sind, von Blüte zu Blüte zu gaukeln. Sie unternehmen zwar im Herbste und Frühlinge weitere Reisen, fliegen da aber nur durch Gegenden, in denen sie Nahrung finden. Außer diesen Vögeln gibt es hier Vierfüßler, welche selten oder nie in die Wüste gehen und sich meist in dichten Waldungen aufhalten. Aus diesem Grunde steht zu erwarten, daß wir das öde Sandland hinter uns haben. Wenn auch nicht sofort Waldland folgt, so dürfen wir wenigstens auf grasigen und wohl gar blühenden
Weitere Kostenlose Bücher