Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
daß es hier oben fließt?«
»Nein, sondern unter dir im Erdgeschoß.«
»Du hast es erraten. Ich würde euch welches geben, aber es ist hier so selten, daß – –«
»Wir werden es dir bezahlen,« unterbrach ihn Sam.
»Das ist gut! Doch weiß mein Bruder vielleicht, daß mehrere Stämme der Roten ihre Kriegsbeile gegen die Weißen ausgegraben haben? Darf man da den Bleichgesichtern trauen?«
»Von uns hast du nichts zu fürchten. Vielleicht hast du schon einmal von uns gehört. Ich und diese beiden Krieger, welche hier neben mir stehen, werden das ›Kleeblatt‹ genannt; da hinter mir steht – – –«
»Das Kleeblatt?« fiel ihm der Häuptling schnell in die Rede. »Da kenne ich eure Namen. Ihr heißt Hawkens, Stone und Parker?«
»Ja.«
»Warum habt Ihr mir das nicht gleich gesagt? Das ›Kleeblatt‹ ist stets freundlich zu uns roten Männern gewesen; ihr seid unsre Brüder, und wir heißen euch willkommen. Ihr sollt Wasser haben, umsonst und so viel, wie ihr braucht. Unsre Frauen sollen es euch hinausreichen.«
Auf einen Ruf von ihm kamen die Squaws auf die unterste Plattform herabgestiegen und holten aus dem innen im Erdgeschosse befindlichen Brunnen in großen, thönernen Krügen Wasser, welches die Reisenden sich leicht herunterlangen konnten, weil einige Leitern angelegt worden waren. Das Ganze machte einen so friedlichen Eindruck, daß weder Sam Hawkens, der doch sonst so klug war, noch einer seiner Gefährten auf den Gedanken kam, daß die Freundlichkeit des Häuptlings nur Verstellung sei.
Während die Menschen sich erquickten und dann die durstigen Pferde getränkt wurden, hatte die Farbe des Himmels sich in sehr bedrohlicher Weise verändert. Er war erst hellrot, dann dunkelrot und schließlich violett geworden, und diese letztere Färbung ging nun in ein düsteres Schwarz über, ohne daß man hätte sagen können, daß eigentliche Wolken vorhanden seien.
»Das sieht bös aus,« meinte Will Parker zu Hawkens. »Was sagst du dazu, Sam? Das scheint ein Hurrikan oder Tornado zu werden.«
»Glaube es nicht,« antwortete der Gefragte, indem er mit einem langen Blicke den Himmel prüfte. »Ja, Sturm wird es geben, einen tüchtigen Sturm, aber viel, sehr viel Wasser dazu. Es wäre am besten, wenn wir unter Dach und Fach kommen könnten, und unsre Pferde auch, sonst gehen sie uns durch.«
Und sich an den Häuptling wendend, welcher noch immer auf der Plattform stand, fragte er diesen:
»Was sagt mein roter Bruder zu diesen bedenklichen Wetteranzeichen? Was wird daraus werden?«
»Ein großer Sturm mit einem solchen Regen, daß in kurzer Zeit hier alles schwimmen wird.«
»Denke das auch, habe aber keine Lust, zu schwimmen und unsre Sachen durch den Regen verderben zu lassen. Können wir nicht im Pueblo aufgenommen werden?«
»Meine weißen Brüder mögen mit ihren Frauen und Kindern zu uns heraufsteigen. Es soll sie kein Tropfen Regen treffen.«
»Und unsre Tiere? Gibt es keinen Platz für sie, wo sie uns nicht entfliehen können?«
»Da links um die Ecke des Pueblo ist ein Korral, in welchem ihr sie einsperren könnet.«
»Gut, das werden wir thun. Indessen können die Frauen zu euch emporsteigen.«
Es wurden noch einige Leitern herabgelassen, an denen die deutschen Frauen und Kinder nach der zweiten Etage und durch das dort befindliche Loch in das Innere der ersten Etage niederstiegen. Zu gleicher Zeit kamen mehrere indianische Squaws und halberwachsene Knaben herunter, welche das Gepäck, das man den Pferden und Maultieren abgenommen hatte, nach der ersten Plattform trugen und von da durch ein ebensolches Deckenloch in das Erdgeschoß schafften.
An der Seite des Pueblo, welche der Häuptling bezeichnet hatte, war durch ziemlich hohe Mauern ein offener, viereckiger Platz eingeschlossen, den Ka Maku als Korral bezeichnet hatte. Hierher wurden die Pferde geschafft. Als sie sich in Sicherheit befanden, verschloß man den Eingang durch Stangen, welche in dazu bestimmte Mauerlöcher querüber zu liegen kamen. Eben als man damit fertig war, gab es mit einemmal einen Blitz, als ob der ganze Himmel in Flammen stehe, und es krachte ein Donnerschlag, unter dem die Erde zu zittern schien. Zu gleicher Zeit begann es zu regnen, daß man kaum einige Schritte weit zu sehen vermochte, und es brach urplötzlich ein Sturm los, welcher von solcher Mächtigkeit war, daß man sich an der Mauer festhalten mußte, um nicht niedergeworfen zu werden. Die Männer eilten zu den Leitern.
Der Bankier und sein
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