Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
uns gefallen. Wir haben große Kulturpläne und da kommen Sie uns eben recht; nun wird Ihnen unsre Freigebigkeit erklärlich sein. Schi-So und mein Neffe sollen das Werk, welches wir begonnen haben, später zu Ende führen. Wir werden beweisen, daß der rote Mann dem Weißen gleichgestellt werden darf. Doch halt! Was war das da drüben jenseits des Flusses? War das nicht ein Schrei? Das klang genau wie der Todesschrei eines Menschen. Sollte der Oelprinz mit seinen beiden Kerls da drüben stecken und schon mit unsern Leuten in Kampf geraten sein? Das ist doch aber nicht möglich!«
Da kam der Hobble-Frank gelaufen. Er hatte den Schrei auch gehört und wollte fragen, ob Wolf ihn vernommen habe. Nach kurzer Zeit kam Adolf Wolf in ganz derselben Absicht.
»Onkel, da drüben schrie jemand. Hast du es gehört?«
»Wir alle haben es gehört,« antwortete ihm der Hobble. »Es war een anthropologisch menschlicher Schrei, keen animalisch zoologisch tierischer. Wallen und wandeln Sie mit mir hinauf ins Lager. Die Roten haben Feuer angebrannt und braten daran ihr Fleesch, daß das ganze Flußthal davon duftet. Wahrscheinlich sind sie so reserviert, daß sie uns ooch een Schtück davon karambolieren.«
Er nahm Adolfs Arm in den seinen und zog ihn mit sich fort.
Was den Schrei betrifft, welcher für den Todesschrei eines Menschen gehalten worden war, so hatte es mit demselben seine Richtigkeit. Der Oelprinz war mit seinen beiden Begleitern ganz so, wie Old Shatterhand es vermutet hatte, am Flusse aufwärts bis zum letzten Lagerplatze der Navajos geritten und dort an das andre Ufer gegangen. Ihre Absicht war, da drüben abwärts zu reiten, um nach dem Colorado zu kommen; aber dann fiel es ihnen ein, daß es doch vielleicht geraten sei, zu wissen, welcher von den beiden Stämmen über den andern den Sieg erringen werde. Sie blieben also in der Nähe des Ufers und suchten sich, als sie der Mündung des Winterwassers gegenüber angekommen waren, einen Platz, von welchem aus sie die Vorgänge da drüben beobachten konnten, ohne selbst gesehen zu werden.
Aber sie hatten einen weiten Umweg machen müssen, bei welchem so viel Zeit vergangen war, daß sie schon zu spät kamen. Die Entscheidung, das heißt die Versöhnung der beiden Stämme war schon vorüber; die Roten hatten sich nach dem Lager oben zurückgezogen, wo sie von drüben aus nicht gesehen werden konnten, und so bemerkten die drei Banditen nur die weißen Frauen und Männer, welche plaudernd am Wasser saßen und die ebenfalls weißen Personen, welche da ab- und zugingen. Sie wurden dadurch der Meinung, daß die Entscheidung noch nicht gefallen sei, und blieben länger liegen, als mit ihrer Sicherheit zu vereinbaren war. Sie ahnten nicht, daß Old Shatterhand schon hinter ihnen war und Nitsas-Ini ihnen mit seinen vierzig Roten den Weg verlegt hatte.
Wie schon längst erwähnt, hatten der Oelprinz und Buttler sich Pollers nur zu ihren Zwecken bedient und wollten sich dann später seiner entledigen. Daß dies nur durch einen Mord geschehen könne, wenn sie sich nicht für später gefährden wollten, das stand bei ihnen fest. Jetzt glaubten sie die Zeit gekommen und zogen sich von ihm zurück, um sich darüber zu besprechen. Aber Poller war kein schlechter Beobachter und hatte aus ihren Blicken und Mienen geschlossen, daß sie ihm nicht wohlgesinnt seien; er empfand das Gefühl, daß für ihn eine Gefahr in der Luft liege, und beobachtete sie nun schärfer. Da fiel es ihm auf, daß sie sich jetzt beide zugleich von ihm entfernten. Er kroch unter den Büschen ihnen nach und sah sie nahe beisammenstehen und leise miteinander sprechen. Es gelang ihm, so weit an sie heranzukommen, daß er nur zwei Schritte von ihnen entfernt war, konnte aber ihre Worte nicht verstehen, bis der Oelprinz etwas lauter sagte:
»Jetzt ist die beste Gelegenheit. Er bekommt ganz unerwartet das Messer und bleibt hier liegen. Finden ihn dann die Weißen, so denken sie, daß er von den feindlichen Roten erstochen worden ist.«
Er merkte wohl, daß nur er gemeint sein könne, und war so entrüstet darüber, daß er vergaß, vorsichtig zu sein, und sich plötzlich vor ihnen aufrichtete.
»Was, ihr wollt mich erstechen, ihr elenden Halunken!« herrschte er sie an. »Ist das der Dank für das, was –«
Er konnte nicht weiter sprechen. Sie hörten, daß ihre Absicht verraten war; nun nur nicht weiter zögern. Sie verständigten sich durch einen einzigen kurzen Blick, dann hatte ihn Buttler mit einem
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