Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Das war doch der Kantor!«
»Ja, erst; dann aber kam er los und ich wurde angebunden.«
»Von wem denn?« fragte Old Shatterhand verwundert.
»Von dem Oelprinzen. Dieser Halunke hat mir meine Anweisung wieder abgenommen.«
»Der Oelprinz? Alle Wetter! Wie ist das geschehen? Erzählt es doch, schnell!«
Der Bankier berichtete, was geschehen war.
»Mann,« rief dann Old Shatterhand aus, »das habt Ihr schlau, sehr schlau angefangen! Warum habt Ihr denn den Wisch nicht vernichtet!«
»Jawohl, Ihr habt recht; jetzt bereue ich es bitter. Verschafft mir den Zettel wieder, Sir; ich bitte Euch inständigst darum!«
»Ja, erst macht Ihr die Fehler, und dann soll ich sie ausbessern! Die Kerls mögen meinetwegen reiten, wohin sie wollen. Hättet Ihr die Dummheit nicht gemacht!«
Da fiel Nitsas-Ini ein:
»Sie werden nicht reiten, wohin sie wollen. Der Oelprinz hat meine beiden Kundschafter ermordet; ich muß ihn haben. Werden Old Shatterhand und Winnetou mir nicht dabei helfen?«
Winnetou nickte und Old Shatterhand sagte:
»Ich habe im Unmute gesprochen. Es versteht sich ganz von selbst, daß wir die Kerls haben müssen. Habt Ihr denn gesehen, wohin sie ritten?«
»Ja.«
»Nun, nach welcher Richtung?«
»Stromaufwärts, dahin, woher sie gekommen waren und woher auch wir gekommen sind.«
»Also ist es doch so! Sie sind den Spuren der Navajos gefolgt, um Wolf zu überfallen und ihm die Schrift abzunehmen. Durch Zufall sind sie aber viel leichter dazu gekommen. Wie lange ist das her?«
»Sehr lange. Dieser Kantor sollte mich losmachen, that es aber nicht.«
»So müssen wir uns schleunigst auf den Weg machen.«
»Stromaufwärts?« fragte der Häuptling.
»Ja, denn wir dürfen ihre Fährte keinesfalls vernachlässigen; sie sind aber jedenfalls stromabwärts geritten.«
»Aber dieser Mann behauptet doch das Gegenteil!«
»Rollins hat auch recht; die Banditen sind aufwärts, aber nur eine Strecke.«
»Und dann wieder abwärts?«
»So hätten sie ja hier vorüber gemußt!«
»Nein. Sie sind hinüber nach dem andern Ufer.«
»Uff! Hat mein Bruder Grund, dies zu denken?«
»Ja. Sie haben das Papier und wollen nach San Francisco. Da müssen sie nach dem Colorado hinunter, ganz denselben Weg, den sie ritten, als sie in euerm Lager waren. Hier konnten sie nicht vorbei, weil sie von dem Kantor erfahren haben, daß wir hier sind. Sie sind also aufwärts zurück bis dahin, wo wir gestern lagerten, und dann über den Fluß hinüber. Mein roter Bruder mag mit einer Schar seiner Leute schnell abwärts reiten, bis er eine Stelle findet, an welcher er über den Fluß hinüber kann. Ist er drüben, so wird er nach ihrer Fährte suchen und dabei sehen, ob sie aus dieser Gegend schon fort sind.«
»Sie werden unbedingt fort sein!«
»Nein. Es steht zu vermuten, daß sie irgendwo da drüben stecken, um zu sehen, wie der Ueberfall hier abläuft. Mein Bruder muß ihnen so breit wie möglich den Weg verlegen, daß sie ja nicht vorüber können.«
»Und was wird Old Shatterhand thun?«
»Ich werde mit Winnetou aufwärts reiten, um ihrer Spur zu folgen. Da diese mit der unsrigen zusammenfällt, so ist sie außerordentlich schwer zu lesen; daher müssen wir diesen Weg selber machen; wir können uns auf keinen andern verlassen. Natürlich aber reiten wir nicht allein, sondern wir nehmen auch Begleiter mit.«
»Ich habe diesen Hunden doch Späher entgegengesandt! Sie müssen von ihnen nicht bemerkt worden sein.«
»Es ist auch noch andres möglich. Entweder haben sie sie getäuscht oder sie gar getötet.«
»Wenn dies der Fall ist, dann müssen sie am Marterpfahle sterben!«
»Erst wollen wir sie fangen, und erst dann können wir über ihren Tod sprechen. Mein roter Bruder mag sofort aufbrechen und ja nichts versäumen!«
Da erschien wieder ein Reiter oben an der Furt. Er sah die Personen auch und fragte ebenso wie vorhin der Bankier, ob er herunterkommen dürfe.
»Ja, kommen Sie!« antwortete Old Shatterhand, indem es in seinen Augen wenig verheißungsvoll flimmerte.
Der Kantor kam herab.
»Da bin ich wieder,« sagte er ahnungslos. »Wo sind die andern Deutschen?«
»Da, wohin Sie nicht kommen werden, damit Sie nicht wieder Unheil anrichten können, Sie Verräter!«
»Verräter? Wieso?«
»Sie haben dem Oelprinz gesagt, wo Mr. Rollins das Papier hat.«
»Ja, das habe ich. Sie fragten mich und da konnte ich sie doch nicht belügen.«
»Man kann klug sein, ohne zu lügen, Sie Dummkopf und Faselhans! Ich diktiere Ihnen
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