Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
dorthin!« antwortete sein Gefährte mit dem Ausdrucke der Freude im Gesichte und indem er bachaufwärts deutete.
Der Häuptling wendete den Blick nach der angedeuteten Richtung und machte sofort auch ein andres, froheres Gesicht.
»Büffel!« flüsterte er.
»Ja, sechs Stück! Eine Bulle, drei Kühe und zwei Kälber!«
»Wir bekommen Fleisch!«
Bei diesen Worten griff er nach dem Gewehre; aber seine Hand zitterte, entweder vor Kraftlosigkeit oder vor Aufregung.
»Du zitterst!« warnte ihn der andre. »Wenn dein Schuß nicht sicher ist, geht uns das Fleisch verloren!«
»Schweig! Es war der Hunger; aber ich werde sicher treffen!«
»Die Büffel gehen dem Wasser nach; sie werden hierherkommen, denn sie bringen den Wind.«
»Ja, die Luft kommt mit ihnen, und wir brauchen also nur hier hinter dem Busche liegen zu bleiben.«
Sie duckten sich nieder und beobachteten mit fast fieberhafter Erregung die Tiere, welche in gar nicht langsamem Tempo näher kamen, denn sie schienen sich auf der Wanderung zu befinden und bogen die Köpfe nur zuweilen nieder, um ein Maul voll Gras zu nehmen.
Der Bulle war ein altes, mächtiges und sehr häßliches, weil fast haarloses Tier. Sein hartes, zähes Fleisch konnte kaum genossen werden, und doch mußte grade er geschossen werden, denn hätte Tokvi-Kava nach der Güte des Fleisches sich richten und eine Kuh schießen wollen, so wäre er und sein Gefährte von dem rachsüchtigen und wütenden Büffel auf die Hörner genommen und zerstoßen und zertreten worden. Das Gewehr hatte allerdings zwei Läufe, aber es war ein Schrotlauf dabei.
Die Tiere kamen nahe am Wasser herunter, der Bulle voran, die Kühe mit den Kälbern hinterher. Sie waren noch hundert, dann fünfzig, endlich nur noch dreißig Schritte entfernt, ohne etwas zu merken. Die Kühe verließen sich auf ihren Führer, und dieser schien die Empfindlichkeit der Nase verloren zu haben.
Tokvi-Kava legte an; er zitterte jetzt nicht mehr, schoß aber noch nicht, denn er hatte den Büffel grade von vorn und wollte lieber eine Wendung desselben abwarten. Der Indianer und jeder erfahrene Jäger nämlich gibt dem Büffel die Kugel am liebsten von der Seite her unterhalb der Schulter in das Herz, weil ihr Weg da nur durch Fleischteile geht.
Sie kamen gar noch zehn Schritte näher; da aber schien die eine Kuh Verdacht zu fassen; sie blieb stehen und sog die Luft so laut ein, daß der Bulle es hörte. Er drehte sich halb nach ihr um und bot dem Häuptling also die Seite und die beschriebene Stelle, auf welche es dieser abgesehen hatte. Der Schuß krachte sofort. Der Büffel bekam einen sichtbaren Ruck durch den ganzen Körper, dann stand er still und bewegungslos, bis er den Kopf tiefer und tiefer senkte; nun lief ein konvulsivisches Zittern über ihn hin und hierauf brach er zusammen, ohne einen einzigen Laut von sich gegeben zu haben. Er war in das Herz getroffen worden.
Der Häuptling hatte, sobald der Schuß losgegangen war, in größter Eile wieder geladen. Die Kühe wendeten sich, als sie den Knall hörten, zur Flucht; die eine rannte, gefolgt von ihrem Kalbe, fort; das andre Kalb aber blieb ahnungslos stehen und trottete dann sogar neugierig zu dem toten Büffel hin. Bald aber kehrte seine Mutter, von der Liebe getrieben, die selbst ein Tier besitzt, wieder um, und stieß es mit der Nase von dem Bullen fort, erhielt aber in diesem Augenblicke den zweiten Schuß des Häuptlings, und zwar auch in das Herz, so daß sie nach einigen Sekunden zusammenbrach.
Nun sprangen die beiden Indianer, laute Jubelrufe ausstoßend, auf und zu ihrer Beute hin. Das Kalb machte einige lächerliche Sätze hin und her und wurde dann mit dem Kolben niedergeschlagen.
»Uff, uff, uff!« rief der Häuptling aus. »Mein roter Bruder sieht, daß ich nicht gezittert habe. Beide Kugeln sitzen im Herzen, und nun haben wir Fleisch für alle unsre Männer!«
»Ja, das Fleisch der Kuh ist gut,« meinte der andre.
»Man kann auch das Fleisch eines Bullen essen, wenn man sonst nichts andres hat!«
»Brechen wir die Tiere jetzt gleich auf?«
»Nein, denn diese Arbeit dauert für zwei Männer zu lang. Wir holen einige Krieger oder alle herbei.«
»Ist es nicht besser, daß nur einer von uns gehe und der andre hier bleibe, um das Fleisch zu bewachen?«
»Ja. Ich werde gehen, und mein Bruder mag bleiben.«
»So mag Tokvi-Kava mir sein Gewehr geben!«
»Das brauche ich selbst.«
»Für mich ist es notwendiger als für dich!«
»Es befinden sich in
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