Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
länger zu verweilen, als es nötig ist.«
»Da stimme ich bei,« nickte Kas. »Wir müssen nach Santa Fé hinauf. Unser Vetter Nahum Samuel Timpe, den wir dort zwingen wollen, uns die Erbschaft, um welche er uns betrogen hat, herauszugeben, scheint kein Mann zu sein, der längere Zeit an einem Orte bleibt; das böse Gewissen treibt ihn hin und her, und wenn wir an andern Orten unnütz unsre Zeit verschwenden, so müssen wir gewärtig sein, daß er schon wieder fort ist, wenn wir hinkommen. Ist das nicht auch deine Meinung, Cousin?«
»Natürlich ist sie es,« antwortete Has auf die an ihn gerichtete Frage. »Je eher wir zu unserm Gelde kommen, desto besser ist’s für uns. Glücklicherweise haben Mister Shatterhand und Winnetou sich unser und unsrer Sache angenommen; das macht mir mehr Hoffnung, als ich vorher hatte, sie glücklich zu Ende zu bringen.«
Während die beiden Timpes dies zu einander sagten, standen Frank und Droll noch bei ihnen. Die andern waren inzwischen in das Gebäude getreten. Dieser Umstand nämlich, daß Winnetou und Old Shatterhand seine Worte nicht hören konnten, veranlaßten den Hobble, der Ansicht, welche Has soeben ausgesprochen hatte, eine seiner berühmten Bemerkungen folgen zu lassen. Er sagte nämlich, und zwar in deutscher Sprache, weil ihn nur Deutsche hörten:
»Ich weeß gar nich, warum Sie nur immer von andern Leuten reden! Die Familie Timpe scheint an eener großartig-interimistischen Erbkrankheit zu leiden, die gar nich kuriert werden kann, nämlich an eener kolossalen Eenseitigkeet, die geradezu ihresgleichen sucht!«
»Wieso Einseitigkeit?« fragte Kas.
»Ich meene die Seite, welche schtets off Old Shatterhand und Winnetou gerichtet is. Sie haben nur immer davon zu reden, daß Sie von diesen beeden Herren in hervorragendster und penetrantester Weise unterschtützt zu werden hoffen. Ich gebe zwar ooch ganz gerne zu, daß Sie mit dieser Ansicht keene Mücken fangen und nich in die Käse fliegen werden, aber ich will Sie dennoch eenmal ersuchen, sich doch ergebenst ooch off die andre Seite zu wenden, nämlich off die Seite, wo ich schtehe und wo ich zu finden bin, ich, der allgemein verehrte Hobble-Frank aus Moritzburg! Sagen Sie mal, trauen Sie mir denn ganz und gar nischt zu?«
»O doch, Mister Frank,« antwortete Has.
»Das scheint mir aber gar nich so, ganz unterthänigster Herr Hasael Benjamin Timpe! Ich habe mich schon gestern von oben herunter aus der Höhe herabgelassen und Ihnen, weil Sie ohne meine Hilfe nischt fertig bringen können, versichert, daß ich mich Ihrer annehmen und erbarmen will, wie sich een kinderloser Waisenvater der Eltern seiner Pfleglinge annimmt; ich habe Ihnen ferner gesagt, daß ich Sie wie off Adlersflügeln und Schwalbenschwänzen Ihrem Ziele entgegentragen werde; ich habe Ihnen endlich überzeugend und naturgetreu bewiesen, daß mir Ihre Erbschaft höher schteht als meine eegenen und persönlichen Chronometer, und nu muß ich, schon nach so wenigen Schtunden, plötzlich mit anhören, daß Sie alle Ihre Hoffnungen und Gestikulationen immer wieder off andre Leute und Persönlichkeeten setzen! Wenn Sie in dieser Weise fortfahren, mich und mein Profil geringzuschätzen, so wird mir trotz meiner angeschtammten Geduld und Langmütigkeet schließlich doch nischt andres übrig bleiben, als mich Ihnen angeleegentlich zu empfehlen und mich mit meiner Krause- und Pfefferminze an sachverschtändigere Leute und einsichtsvollere Potentaten zu wenden!«
Die beiden Vettern hatten soviel Gewalt über sich, nicht zu lachen; sie zeigten die ernstesten Gesichter, und Kas antwortete, indem er dem Kleinen die Hand beruhigend auf die Schulter legte:
»Aber, bester Herr Franke, Sie ereifern sich da ganz unnötigerweise. Wir kennen Sie ja und wissen also ganz genau, wie groß die Vorteile sind, welche wir von Ihrer Hilfe zu erwarten haben.«
»So? Das wissen Sie also? Warum schprechen Sie denn da immer von Old Shatterhand und Winnetou, aber nich von mir?«
»Weil man über das, was man für selbstverständlich hält, nicht viel zu reden pflegt. Und Ihre Vorzüge sind doch alle so unendlich selbstverständlich! Nicht?«
Da begann das Gesicht des Hobble vor Wonne zu strahlen; er machte eine so majestätische Handbewegung, wie sie ihm nur möglich war, und sagte:
»O bitte, bitte, Herr Timpe! Sie thun mir zuviel Ehre an! Meine schprüchwörtliche Bescheidenheit kann nur mit Widerschtreben von diesem wohlverdienten Lobe Besitz ergreifen. Wenn Sie in Ihrer
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