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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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schmal, ich kämpfe nur mit seinen Füßen, aber manchmal hebt er mich und dann kämpfe ich auch oben. Um uns sind alle seine Genossen im Kreis und verlachen mich. Einer, zum Beispiel, schneidet hinten meine Hose auf und nun spielen alle mit meinem Hemdzipfel, während ich kämpfe. Unbegreiflich, warum sie lachen, da ich doch bisher immer gewonnen habe.
    FÜRST: Wie ist es aber möglich, daß du gewinnst? Hast du Waffen?
    WÄCHTER: Nur in den ersten Jahren nahm ich Waffen mit. Was könnten sie mir ihm gegenüber helfen, sie beschwerten mich nur. Wir kämpfen nur mit den Fäusten, oder eigentlich nur mit der Atemkraft. Und immer bist du in meinen Gedanken.
    Pause.
    WÄCHTER: Aber niemals zweifle ich an meinem Sieg. Nur manchmal fürchte ich, daß der Herzog mich zwischen seinen Fingern verlieren könnte und er nicht mehr wissen wird, daß er kämpft.
    FÜRST: Und wann hast du gesiegt?
    WÄCHTER: Wenn es Morgen wird. Dann wirft er mich hin und speit mir nach, das ist sein Bekenntnis der Niederlage. Ich aber muß noch eine Stunde liegen, ehe ich den richtigen Atem erschnappe.
    Pause.
    FÜRST steht auf. Aber sag, weißt du nicht, was sie alle eigentlich wollen?
    WÄCHTER: Aus dem Park hinaus.
    FÜRST: Warum aber?
    WÄCHTER: Das weiß ich nicht.
    FÜRST: Hast du sie nicht gefragt?
    WÄCHTER: Nein.
    FÜRST: Warum?
    WÄCHTER: Ich habe Scheu davor. Wenn du es aber willst, werde ich sie heute fragen.
    FÜRST erschrickt, laut: Heute!
    WÄCHTER sachverständig: Ja, heute.
    FÜRST: Und du ahnst auch nicht, was sie wollen?
    WÄCHTER nachdenklich: Nein.
    Pause.
    WÄCHTER: Manchmal, vielleicht sollte ich das noch sagen, kommt früh, während ich so ohne Atem liege, ich bin dann auch zu schwach, um die Augen zu öffnen, ein zartes, feucht und haarig anzufühlendes Wesen zu mir, eine Nachzüglerin, Komtessa Isabella. Sie betastet mich an vielen Stellen, greift in den Bart, fährt in ihrer Gänze mir am Hals unterm Kinn vorbei und pflegt zu sagen: »Die andern nicht, aber mich, aber mich laß hinaus.« Ich schüttle den Kopf so viel ich kann. »Zum Fürsten Leo, um ihm die Hand zu reichen.« Ich höre nicht auf, den Kopf zu schütteln. »Aber mich, aber mich«, höre ich noch, dann ist sie weg. Und mein Tochterkind kommt mit Decken, wickelt mich ein und wartet bei mir, bis ich selbst gehen kann. Ein außerordentlich gutes Mädchen.
    FÜRST: Ein unbekannter Name, Isabella.
    Pause.
    FÜRST: Die Hand mir zu reichen. Stellt sich zum Fenster, blickt hinaus.
    Diener durch Mitteltür.
    DIENER: Ihre Hoheit, die gnädige Frau Fürstin lassen bitten.
    FÜRST sieht zerstreut den Diener an - zum Wächter: Warte, bis ich komme. Links ab.
    Sofort durch Mitteltür Kammerherr, dann durch Tür rechts Obersthofmeister (jüngerer Mann, Offiziersuniform).
    WÄCHTER duckt sich wie vor Gespenstern hinter das Ruhebett und fuchtelt mit den Händen.
    OBERSTHOFMEISTER: Der Fürst ist weg?
    KAMMERHERR: Ihrem Rat gemäß hat ihn die Frau Fürstin jetzt rufen lassen.
    OBERSTHOFMEISTER: Gut. Wendet sich plötzlich, beugt sich hinter das Ruhebett. Und du, elendes Gespenst, wagst dich wahrhaftig hierher ins fürstliche Schloß. Fürchtest dich nicht vor dem gewaltigen Fußtritt, der dich aus dem Tor hinausbefördem wird?
    WÄCHTER: Ich bin, ich bin -
    OBERSTHOFMEISTER: Still, zunächst einmal still, ganz still - und hierher in den Winkel gesetzt! Zum Kammerherrn: Ich danke Ihnen für die Benachrichtigung von der neuen fürstlichen Laune.
    KAMMERHERR: Sie ließen mich fragen.
    OBERSTHOFMEISTER: Immerhin. Und nun ein vertrauliches Wort. Absichtlich vor dem Ding dort. Sie, Herr Graf, kokettieren mit der Gegenpartei.
    KAMMERHERR: Ist das eine Beschuldigung?
    OBERSTHOFMEISTFR: Vorläufig eine Befürchtung.
    KAMMERHERR: Dann kann ich antworten. Ich kokettiere nicht mit der Gegenpartei, denn ich erkenne sie nicht. Ich fühle die Strömungen, aber ich tauche mich nicht ein. Ich komme noch von der offenen Politik her, die unter Herzog Friedrich galt. Damals war im Hofdienst die einzige Politik, dem Fürsten zu dienen. Da er Junggeselle war, war dies erleichtert, aber es sollte niemals schwer sein.
    OBERSTHOFMEISTER: Sehr vernünftig. Nur zeigt die eigene Nase - und sei sie noch so treu - niemals dauernd den richtigen Weg, den zeigt nur der Verstand. Dieser aber muß sich entscheiden. Gesetzt den Fall, der Fürst sei auf Abwegen: dient man ihm, indem man ihn hinunterbegleitet, oder indem man ihn - in aller Ergebenheit - zurückjagt? Ohne Zweifel, indem man ihn

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