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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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aus. »Soweit ich es beurteilen kann, ist er so von ihr eingenommen, daß er sogar den Dreck unter ihren Fingernägeln wegfressen und ihn Kaviar nennen würde. Darüber hinaus hat er sich immer um die Autos gekümmert. Er kannte sich genau darin aus, wie ein Rolls funktioniert. Gina hätte ihn ganz bestimmt mitgenommen. Und du hast selbst gesagt, daß deine Antenne reagiert hat, als du ihn sahst.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich irgend etwas Psychopathisches an ihm gespürt habe.«
    »Okay.«
    »Oh Mann«, sagte ich und merkte, wie mich ein bohrender Kopfschmerz überkam. »Das ist unmöglich, Milo, unmöglich!«
    »Es ist bestimmt nichts, was ich glauben möchte, Alex. Ich mag die Kleine, und ich arbeite immer noch für sie. Sie hat nur ein bißchen - allzu - verbissen - hartnäckig auf mich gewirkt, gerade eben. Redet ununterbrochen über diese Hundesöhne daher, deshalb hab’ ich ihr in der Küche gesagt: ›Klingt, als ob Sie’s gar nicht abwarten können.‹ Sie ist einfach stehengeblieben und umgekippt. Ich kam mir beschissen vor, daß ich das mit ihr gemacht habe, aber gleichzeitig war mir auch besser. Denn sie sah endlich wieder wie eine Jugendliche aus. - Wenn ich therapeutisch etwas Falsches gemacht habe, tut es mir leid.«
    »Nein«, sagte ich, »wenn es so dicht unter der Oberfläche lag, wäre es früher oder später sowieso geschehen.«
    »Yeah«, sagte er.
    Keiner von uns beiden drückte in Worten aus, was wir dachten: Wenn es nun wirklich so ist! Ich fühlte mich plötzlich müde und setzte mich auf den Stuhl neben dem Telefontisch. Ich hielt den Zettel mit der Nummer von Suzy LaFamiglia noch immer in der Hand. »Habe gerade eine Anwältin für sie gefunden: Kämpferisch, hart im Nehmen, legt sich gern mit dem System an.«
    »Klingt gut.«
    »Klingt wie jemand, zu dem Melissa sich später auch mal entwickeln könnte.«

31
    Als Melissa zurückkam, sah sie alles andere als erwachsen aus. Ihre Schultern hingen herab, ihr Gang war schleppend, und sie tupfte sich mit einem Stück Toilettenpapier den Mund. Ich gab ihr die Nummer der Anwältin, und sie dankte mir leise.
    »Möchten Sie, daß ich für Sie anrufe?«
    »Nein, danke. Ich mache es, morgen.« Ich führte sie zu dem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Sie sah mit leerem Blick in Milos Richtung und lächelte matt.
    Milo lächelte zurück und betrachtete seine Coladose. Ich wußte nicht genau, wer mir von den beiden mehr leid tat. Melissa seufzte und stützte das Kinn auf die Hand. Ich fragte: »Wie geht es Ihnen, Melissa?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Es ist alles so - ich komme mir vor wie - als ob ich keine - ich weiß nicht.« Ich berührte ihre Schulter.
    Sie fuhr fort: »Ich mache mir etwas vor - daß ich’s mit denen aufnehmen könnte. Ich bin doch ein Nichts. Wer würde denn zuhören, wenn ich etwas sage?«
    Ich sagte: »Es ist die Sache Ihres Anwalts zu kämpfen. Jetzt im Augenblick sollten Sie sich darauf konzentrieren, daß Sie mit sich selbst klarkommen.«
    Nach einer langen Pause murmelte sie: »Schätze ja.« Wieder ein langes Schweigen, dann: »Ich bin wirklich allein.«
    »Eine Menge Leute hier kümmern sich um Sie, Melissa.«
    Milo sah zu Boden.
    »Ich bin wirklich allein«, wiederholte sie mit einer unheimlichen Verwunderung, als ob sie in Rekordzeit durch ein Labyrinth gerannt wäre, nur um festzustellen, daß es zu einem Abgrund führte. »Ich bin müde«, sagte sie. »Ich glaube, ich werde schlafen.«
    »Möchten Sie, daß ich bei Ihnen bleibe?«
    »Ich möchte bei jemandem schlafen. Ich möchte nicht allein sein.«
    Milo stellte die Dose auf den Tisch und verließ das Zimmer.
    Ich blieb bei Melissa und versuchte sie mit Worten zu trösten, aber sie schienen nicht viel zu bewirken.
    Milo kam mit Madeleine zurück. Die gewichtige Frau atmete schwer und sah aufgeregt aus, aber als sie Melissa erreicht hatte, wurde ihr Gesichtsausdruck zärtlich. Sie stand über Melissa gebeugt da und strich ihr übers Haar. Melissa wirkte beinahe ohnmächtig, als ob man sie zu fest umarmt hätte. Madeleine beugte sich tiefer hinab und drückte sie an ihren Busen. »Ich schlafe bei dir, Cherie. Komm, wir gehen jetzt.«
    Als wir im Auto saßen und wegfuhren, sagte Milo: »Okay, ich bin ein Kinderschreck und Arschloch.«
    »Also glaubst du nicht, daß sie dir etwas vorgespielt hat, als ihr schlecht geworden ist.«
    Er bremste hart am Fuße der Einfahrt, sein Kopf flog herum, und er sah mich an: »Was soll das, zum Teufel, Alex? Drehst du das

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