SÄURE
zu reden und sah erst seinen Partner, dann Milo an. Als hätte man sie losgekoppelt, machten sich die Obdachlosen davon. Der Dunkelhaarige sagte: »Augenblick mal, Jungs«, und die Männer blieben stehen, einige von ihnen murmelten etwas. Der Detektiv blickte seinen Partner mit hochgezogener Augenbraue an.
Der Mann, den Milo Brad genannt hatte, sog die Backen ein und nickte.
Der Dunkelhaarige sagte: »Hier geht’s lang, Jungs!« und trieb die schäbigen Männer beiseite in eine Ecke.
Der größere Mann sah ihnen nach, bis sie außer Hörweite waren, dann wandte er sich wieder Milo zu. »Sturgis, wie passend.«
»Was ist?«
»Ich habe gehört, du bist heute schon mal hier gewesen. Darüber würde ich gern mit dir reden.«
»Tatsächlich?«
Der Detektiv nahm die Zigaretten in die andere Hand. »Zwei Besuche an einem Tag, ziemlich fleißig. Wirst du pro Stunde bezahlt?«
Milo fragte: »Was gibt’s Neues?«
»Wieso interessierst du dich so für McCloskey?«
»Das habe ich dir schon gesagt, als ich vor ein paar Tagen bei dir war.«
»Erzähl’s mir noch einmal.«
»Die Dame, auf die er damals das Attentat verübt hat, ist immer noch nicht wieder da. Sie wird vermißt, und ihre Familienangehörigen interessierte, ob es da einen Zusammenhang gibt.«
»Was meinst du mit ›vermißt‹?«
Milo erzählte ihm vom Reservoir am Morris-Damm.
Der blonde Mann hörte es sich mit unbewegtem Gesicht an, aber die Hand, die das Zigarettenpäckchen hielt, schloß sich fester darum. Er merkte es, runzelte die Stirn und prüfte die Packung, zupfte am Zellophan, drückte mit den Fingerspitzen die Ecken gerade. »Ist ja schlimm«, sagte er. »Die Angehörigen sind sicher ganz durcheinander.«
»Sie feiern nicht gerade Parties.«
Der blonde Mann lächelte sauer. »Du hast ihn schon zweimal besucht. Wieso schon wieder?«
»Die ersten Male hatte er nicht viel zu sagen.«
»Und du dachtest, du könntest ihn überzeugen.«
»So in etwa.«
»So in etwa.« Der blonde Mann sah hinüber zu seinem dunkelhaarigen Kollegen, der immer noch auf die Obdachlosen einredete.
Milo fragte: »Was gibt’s denn, Brad?«
»Was gibt’s denn?«, wiederholte der blonde Mann und berührte den Rand seiner Brille. »Was es gibt, ist, daß das Leben vielleicht gerade kompliziert geworden ist.« Er machte eine Pause und beobachtete Milo. Als Milo nichts erwiderte, fischte der blonde Mann eine Zigarette aus der Packung, steckte sie sich zwischen die Lippen und redete dabei weiter. »Sieht aus, als ob es für uns beide was zu tun gäbe.« Noch eine Pause, um Milos Reaktion zu beobachten.
Eine halbe Meile weit entfernt rumpelte die Fernstraße, einen halben Block entfernt gingen Glasscheiben zu Bruch. Brads Partner redete immer noch auf die Obdachlosen ein. Ich konnte seine Worte nicht verstehen, aber sein Ton war herablassend. Die schäbigen Männer sahen aus, als würden sie jeden Moment einschlafen.
Der blonde Detektiv sagte: »Es sieht aus, als ob Mr. McCloskey in eine unglückliche Situation geraten wäre.« Er starrte Milo an.
Milo fragte: »Wann?«
Der Detektiv fühlte in der Hosentasche herum, als ob die Antwort dort zu finden wäre. Er zog ein Wegwerffeuerzeug heraus und zündete die Zigarette an. Die Hamme warf zwei Sekunden lang einen gespenstischen Lichtschein über sein Gesicht. Seine Haut wirkte sandig rauh und knotig, mit Rasierbeulen entlang der Kinnlinie. »Vor ein paar Stunden«, fuhr er fort, »mehr oder weniger.« Er sah sich mit zusammengekniffenen Augen durch die gerahmten Brillengläser an, als müsse er jetzt, nachdem er diese Information preisgegeben hätte, auch mit mir abrechnen.
»Ein Freund der Familie«, sagte Milo.
Der große Mann sah mich unverwandt prüfend an und blies Rauch aus, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. Er hatte im Hauptfach Stoizismus studiert und das Examen mit Auszeichnung bestanden.
Milo sagte: »Dr. Delaware, Detektiv Bradley Lewis, zentrales Morddezernat. Detektiv Lewis, Dr. Alex Delaware.«
Lewis blies Rauchkringel und sagte: »Arzt, hm?«
»Hausarzt, genauer gesagt.«
»Ach!«
Ich versuchte wie ein Arzt auszusehen.
Milo fragte: »Wie ist es passiert, Brad?«
»Was?« fragte Lewis. »Ist das so eine Art Prämiengeschäft? Zahlt dir die Familie was, wenn du ihr die gute Nachricht bringst?«
Milo sagte: »Dadurch kommt sie zwar nicht wieder, aber ja, ich könnte mir vorstellen, daß sie nicht trauern würden.« Er wiederholte seine Frage.
Lewis überlegte, ob er sie beantworten
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