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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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verdammte Messer herum?« Er fletschte die Zähne. Im Schweinwerferlicht des Holztors sahen sie gelb aus.
    »Nein«, erwiderte ich und hatte zum erstenmal in all den Jahren, seit ich ihn kannte, Angst vor ihm. Ich kam mir wie jemand vor, den er verdächtigte. »Nein, es ist mein Ernst. Könnte es sein, daß sie nur so getan hat, als ob ihr schlecht wäre?«
    »Yeah, genau. Du willst mir sagen, du glaubst, sie ist eine Psychopathin?« Jetzt schrie er mich an, während seine große Hand auf dem Lenkrad herumhämmerte.
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll!« schrie ich zurück, genauso laut wie er. »Du schmeißt mir von links Theorien an den Kopf!«
    »Ich dachte, so müßten wir vorgehen!«
    »Du wolltest mir helfen.«
    Er streckte mir sein Gesicht entgegen, als wäre es eine Waffe, starrte mich an, dann fiel er auf seinen Sitz zurück und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Schnitt, das ist ja eine nette Szene.«
    »Muß der Schlafentzug sein«, murmelte ich und fühlte mich ziemlich angeschlagen.
    »Muß wohl - Willst du trotzdem immer noch nicht pennen?«
    »Nein, zum Teufel.«
    Er lachte. »Ich auch nicht - Tut mir leid, daß ich dich angebrüllt habe.«
    »Mir tut’s auch leid. Wie wär’s, wenn wir’s einfach vergessen?«
    Er legte wieder die Hände aufs Lenkrad und fuhr weiter. Langsam, mit größter Vorsicht. Ging an jeder Kreuzung mit der Geschwindigkeit herunter, selbst wenn kein Stoppschild da war. Sah nach links und rechts und in alle Spiegel, obwohl die Straßen leer waren. Am Cathcart Boulevard angekommen, sagte er: »Alex, ich bin für diesen privaten Kram nicht geschaffen. Es ist zu unstrukturiert, zuviel Nebel, keine deutlichen Konturen. Ich habe mir eingeredet, ich wäre anders, aber das ist Quatsch. Ich bin ein simpler Draufgänger, ein Paramilitär wie alle anderen im Department auch. Ich brauche eine Welt, in der es ›Wir gegen sie‹ heißt.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Wir sind die blauen Fieslinge. Ich bin gern fies.«
    Ich dachte an die Welt, mit der er so viele Jahre lang gekämpft hatte. Mit der er in wenigen Monaten wieder kämpfen würde, obwohl die ›Blauen‹ ihn aus ihren Reihen verbannt hatten, nachdem er so viele von den ›anderen‹ aus dem Verkehr gezogen hatte. Ich sagte: »Du hast nichts getan, was man kritisieren könnte. Ich habe gefühlsmäßig reagiert, als ihr Beschützer. Es wäre Nachlässigkeit deinerseits gewesen, wenn du sie nicht als verdächtig in Betracht gezogen hättest. Und es wäre eine Nachlässigkeit von dir, wenn du sie nicht weiterhin für verdächtig hieltest, solange die Tatsachen darauf hindeuten.«
    »Die Tatsachen«, sagte er, »davon haben wir nicht so viele…« Er schien noch mehr sagen zu wollen, aber die Auffahrt zur Schnellstraße tauchte auf, und er klappte den Mund zu und gab dem Porsche Gas. Der Verkehr in Richtung Stadtzentrum war nicht sehr dicht, aber er erzeugte genug Lärm, um das Gespräch zu beenden.
    Wir erreichten die Eternal-Hope-Mission kurz nach zehn und parkten einen halben Block davon entfernt. In der Luft lag der Geruch von reifendem Müll, süßlichem Wein und frischem Asphalt und seltsamerweise auch ein bißchen von Blumen. Dieser Duft schien vom Westwind herbeigeweht, als hätten die besseren Viertel der Stadt ihn aus ihren Gärten herübergeschickt. Die Vorderseite des Missionsgebäudes erstrahlte in künstlicher Beleuchtung. Sie und das Mondlicht verwandelten den aquamarinen Verputz in etwas Weißes, Eisiges. Fünf oder sechs schäbige Männer standen nahe beim Eingang zusammen und hörten sich an, was zwei Typen in Straßenanzügen ihnen sagten, zumindest taten sie so.
    Als wir näherkamen, sah ich, daß die Männer zwischen dreißig und vierzig Jahre alt waren. Der eine war groß und schlank, mit weißblondem, kurzgeschnittenem Haar und einem sonderbar dunklen Schnauzer, der rechteckig seinen Mund umrahmte und an ein Krockettor erinnerte. Die Ärmel seines Sommeranzugs waren ein bißchen zu kurz. Seine Handgelenke waren riesig. In der einen Hand hielt er ein Notizbuch ähnlich dem, das Milo hatte, und dazu eine weiche Packung Winstons. Der zweite Mann war klein, untersetzt und dunkelhaarig, glattrasiert und hatte ein Babygesicht. Er redete ständig. Die beiden Männer boten uns ihr Profil, keiner von beiden sah uns an.
    Milo ging auf den größeren zu und sprach ihn an: »Brad.«
    Der Mann drehte sich um und starrte ihn an. Ein paar der schäbigen Gestalten taten es ihm nach. Der dunkelhaarige Mann hörte auf

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