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SÄURE

SÄURE

Titel: SÄURE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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toll.«
    »Ich erwähne es nur deshalb, weil du dich wundern würdest, wie viele Leute immer noch mit diesen Haltungen ankommen: keine Frau, keine Minoritäten. Damit schaden sie sich selbst, denn Suzy ist die beste - staatliche Zulassung als Wirtschaftsprüferin und juristisches Staatsexamen. Hat für eine der großen Wirtschaftsprüferfirmen gearbeitet und mehr Aufträge hereingebracht als irgendeiner von den anderen Mitarbeitern, bis sie sie bei der Beförderung in die Chefetage übergangen haben, weil sie die falschen Genitalien hatte. Sie hat sie verklagt, außergerichtlichen Vergleich geschlossen und ist mit dem Geld zu Boalt gegangen - Spitzenklasse! Sie ist eine richtige Kämpferin, böse bis in die Knochen. Hat sich ausgezeichnet durch ihre Arbeit für Filmleute, hat Geld von den Studios herausgeklagt. In Situationen, wo es mit den Finanzen so haarig aussieht, daß selbst ich mit meinem nicht unbeträchtlichen Vorrat an Tricks aufpassen muß, ist sie mein bester Mann.« Er lachte über seinen eigenen Witz.
    Ich sagte: »Klingt perfekt für meinen Patienten.«
    Er nannte mir eine Nummer. »Century City East, sie hat eine ganze Etage in einem der Bürotürme. Wegen der anderen Sache rufe ich dich dann an. Es wird dir gefallen, unser Therapeutenpärchen, wie es die Zähne fletscht und sich angiftet. Bei mir heißen sie ›Das Paradox‹, ein sehr treffender Name.« Er lachte wieder aus vollem Hals.
    Ich legte auf, ohne ihm zu sagen, daß ich den Witz schon einmal gehört hatte.
    Milo kam ohne Melissa zurück, in der Hand eine Diät-Cola. »Sie ist auf der Toilette«, sagte er, »sie übergibt sich.«
    »Was ist geschehen?«
    »Sie hat einfach schlappgemacht. Erst redete sie noch so weiter, daß sie sich die Hundesöhne vorknöpfen würde. Ich sagte etwas zu ihr - dann, bumm, fängt sie an zu heulen und zu würgen.«
    »Ich habe gesehen, wie du sie mit deinem Detektivblick angeguckt hast. Dann hast du sie aus dem Zimmer geführt, während ich telefonierte. Weshalb?«
    Er lächelte gequält.
    Ich fragte: »Warum?«
    »Okay«, sagte er, »ich habe nun einmal diese schlechten Gedanken. Dafür werde ich bezahlt.« Er zögerte. »Ich wollte nicht, daß sie rausging. Ich wollte allein mit ihr reden, sie mir mal genauer ansehen, ohne daß du mitmischst. Ihr Verhalten eben gerade hat mich gestört, deshalb habe ich angefangen zu überlegen: Wir hatten in unserer kleinen Diskussion eine Möglichkeit ausgelassen, eine sehr häßliche Möglichkeit, aber manchmal sind das gerade die allerwichtigsten.«
    »Melissa?« fragte ich und merkte, wie sich meine Gedärme verkrampften.
    Er wandte sich ab von mir, drehte sich dann aber um und sah mich an. »Sie ist die Alleinerbin, Alex. Vierzig Millionen Eier, und sie ist, wie du gesehen hast, bereit, dafür zu kämpfen, bevor die Leiche auch nur kalt ist.«
    »Es gibt keine Leiche.«
    »Nur so ein Ausdruck. Friß mich nicht gleich deswegen auf!«
    »Ist dir das jetzt gerade eingefallen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, es ist mir von Anfang an im Hinterkopf herumgeschwommen. Das kommt durch meine Ausbildung: Wenn es um Geld geht, sollst du dir den angucken, der es bekommt. Aber ich habe es verdrängt, oder vielleicht wollte ich einfach nicht daran denken.«
    »Milo, sie kämpft, um ihre Trauer in Wut umzusetzen. Sie geht in die Offensive, um nicht erdrückt zu werden. Ich habe ihr das in der Therapie beigebracht. Meiner Ansicht nach ist das eine Art der Bewältigung.«
    »Vielleicht«, sagte er. »Alles, was ich sage, ist, daß ich sie mir in einer normalen Situation gleich zu Anfang angesehen hätte.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Hey«, sagte er, »ich habe nicht gesagt, daß es wahrscheinlich wäre. Es ist nur etwas, das wir ausgelassen haben. Nein, nicht wir - ich. Ich bin ausgebildet, die häßlichsten Gedanken zu Ende zu denken. Aber das habe ich nicht getan. Das wäre mir nicht passiert, wenn ich für die Stadt gearbeitet hätte.«
    »Aber du arbeitest nicht für die Stadt«, sagte ich ziemlich laut, »also gönne dir doch ruhig einmal eine Erholung von solcherart Gedanken.«
    »Hey«, sagte er, »bring mich doch nicht gleich um, nur weil ich meine Arbeit tue.«
    »Sie hat keine Möglichkeit dazu gehabt, gar keine Gelegenheit«, sagte ich. »Sie war doch hier, als ihre Mutter verschwand.«
    »Noel Drucker könnte aber eine Möglichkeit dazu gehabt haben, wo war er denn?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Er nickte, aber sein Nicken drückte keine Zufriedenheit

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