Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Verständnis ausgestattet sind, das es erheblich erleichtert, eine Boeing 747 bei Advektionsnebel zu steuern. Noch heute warte ich auf den Tag, an dem ich meinem ehemaligen Mitschüler Ruben Willimzyck im Dienst begegne.
All diese Dinge erschließen sich einem jedoch nicht gleich beim Kennenlernen eines solchen Mannes, sondern werden zunächst durch den Besitz eines Aktien-Portfolios und eines Neuner-Eisens für den Golfplatz verdeckt und die Tatsache, dass es nie zu spät dafür ist, um L’Oréal Studiolight Stylingcreme mit Surf-Effekt auf einem Igelhaarschnitt anzuwenden.
So wie Malte es gerne tut.
Das Kinder-Argument entwaffnet mich jedoch völlig. Trotz seiner vielen Vorzüge, die ihn ansonsten nicht zu obigem Nerd machen, ist er der letzte Mensch, den ich mir mit einem Kleinkind auf dem Arm vorstellen kann. Undenkbar, dass ein dreijähriger Jim-Herkules oder eine fünfjährige Scarlett-Loreley, mit einem Buntstift bewaffnet, Kurs auf seine Wetterkarten nimmt.
Nicht einmal ich darf mich seiner Vitrine mit Flugzeugmodellen nähern. (Okay, vor allem nicht ich.) Da hat man im Tower of London schon wesentlich mehr Vertrauen zu mir, denn die Kronjuwelen habe ich aus nächster Nähe besichtigen können.
Und was ist das überhaupt für eine Nummer, mich deshalb aus unserer Beziehung zu werfen? An einem Dienstagmorgen, lange bevor die Kinderfrage je thematisiert wurde und ich meinen ersten Kaffee hatte? Wir sind Mitte zwanzig und wann immer ich einen Schritt in Richtung mehr Verbindlichkeit hatte machen wollen, war es Malte gewesen, der abgeblockt hatte.
»Nein, die bin ich auch nicht«, sage ich nun.
Das ist die einzige Antwort, die mir in meiner traumatischen Schockstarre einfällt, um einen letzten Rest an Würde zu behalten. Malte scheint gar nicht zuzuhören.
»Weißt du, Charlotte, eine Beziehung verläuft nicht selten wie eine Sinuskurve. Und wir sind gerade auf dem Nullpunkt der Gleichung angekommen.«
»Verstehe.«
Die Lebensplanung so analytisch und unemotional anzugehen wie einen Anflug auf Brüssel, liegt zweifelsohne in der Natur von Piloten. Die berechnen deine fruchtbaren Tage präziser als dein Körper selber. Im Grunde sind ohnehin kaum zwei Berufsgruppen weniger füreinander gemacht als Stewardessen und Piloten. Höchstens noch Umweltschützer und Ölmagnaten. Oder der UN-Generalsekretär und die Anführerin eines Ausläufers der Hisbollah-Miliz.
In so einem Flugzeug treffen zwei völlig konträre Persönlichkeitsprofile aufeinander: die extrovertierte, impulsive, empathische Masse der Flugbegleiter, mit teils krankhaft ausgeprägtem Helfersyndrom und durchschnittlichen Abgrenzungsschwierigkeiten, und die introvertierten, mathematisch-naturwissenschaftlich orientierten Egozentriker, mit einer fast schon digitalen Sprache, denen anderen zu gefallen ungefähr so wichtig ist wie Lothar Matthäus sein Image als ernstzunehmender Profisportler.
Aber das habe ich wohl einfach ausgeblendet, als Malte damals in Madrid zum ersten Mal in Zivil vor mir in der Lobby stand.
Wir sind zusammen von München nach Mailand geflogen, und er hat mir einige Klugscheißer-Fragen gestellt, zum Beispiel ab wie viel Kilometern Entfernung von der Küste man die Schwimmweste vorführt, oder ab welcher Höhe die Sauerstoffmasken automatisch auslösen. Ich hielt das für einen nahezu hilflos süßen Annäherungsversuch. Leider war es mehr eine Übersprungshandlung, die er im weiteren Verlauf unserer Beziehung beibehielt, wodurch ich viel über Luftwiderstand, Elektrosmog und schwarze Löcher lernte.
Seiner Meinung nach sei es mein authentisches Lächeln gewesen, das ihm gleich beim Einsteigen aufgefallen ist und ihn geradezu verzaubert hätte. Nach diesem Geständnis machte es mir auch nichts mehr aus, dass er beigefarbene Cordhosen mit dem Hemd in der Hose trug. Seit Bauer sucht Frau weiß man schließlich, wie einfach sich rotkarierte Oberbekleidung ausziehen lässt.
Inzwischen weiß ich natürlich auch, dass es ein fataler Fehler ist, einen Mann zu nehmen, bei dem man von vornherein Änderungswünsche hat. Das ist, wie ein viel zu enges Kleid von Prada mit kaputtem Reißverschluss zu kaufen, nur weil es runtergesetzt ist. Am Ende passt du nie hinein, bist zu faul, den Reißverschluss zu ersetzen, und starrst auf dem Flohmarkt jeden böse an, der es für unter zweitausend Euro kaufen will. Und dann liegt der ungeliebte Neuerwerb bloß wieder auf deinem Bett rum.
Malte schiebt mich jetzt energisch Richtung
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