Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
aus Sonntagen bestehenden Wochenenden anderer Arbeitnehmer gegenrechnet, kommen wir gut weg. Und vor allem: Wenn wir da sind, sind wir ganztags da und nicht bloß erst nach den Tagesthemen für unsere Kinder wieder ansprechbar.
Aber der fixen Idee, man sei nie da und immer weg, lebe aus dem Koffer und hätte nur einen sehr unregelmäßigen Eisprung, erliegt der Normalbürger mit tiefer Inbrunst/großer Begeisterung. Ich werde nie vergessen, wie enttäuscht ich war, als ich Männer kennenlernte, die keine Piloten waren, nur um dann festzustellen, dass man als Berater bei Roland Berger noch häufiger unterwegs ist.
Da ist ein Pilot einfach eine sehr solide Lösung, wenn man als Frau einen Partner möchte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Ort ist, wenn die Kinder Windpocken oder Geburtstag haben.
Bei Frau Huber war immer eine Antwort gefragt, die mindestens »Melbourne« oder »Osaka« enthielt, sonst enttäuschte man nämlich sie im Besonderen und die Leute im Allgemeinen – und entschädigte sie nicht im mindesten für die ganze Toleranz gegenüber meinem Lebenswandel, die sie tagtäglich aufbrachten.
Ich erdreistete mich meistens die volle Wahrheit zu sagen: »Frankfurt« zum Beispiel oder Hannover, wo zu der Zeit nicht einmal mehr die Expo war. Dann drehte Frau Huber gerne so beleidigt ab, als hätte ich ihr gesagt, dass Emil bei Regen streng rieche, was eindeutig der Fall ist.
Manchmal schob ich vor lauter schlechtem Gewissen dann doch noch hinterher: »Und von da aus nach Miami!«
Dann drehte sie sich gerne nochmal auf der Treppe um, lächelte säuerlich und sagte: »So finden Sie aber keinen Mann.«
Leider traf ich sie nie an den anderen zehn bis vierzehn Tagen eines Monats, in denen ich frisch geföhnt und duftig in zivil noch vor 12:00 Uhr deutschen Tugenden nachging wie Leergut wegbringen oder bei Tchibo Prozente-Biber-Spannbettlaken zu kaufen.
Auch bei der Rückkehr war Vorsicht geboten. Wenn ich mich, jedes Mal am Ende meiner Kräfte, mit Sky Wheeler-Übersee-Kofferset Panama, Pan-Am-Retro-Handtasche und Damen-Flightkit Jackie Brown den kleinen Treppenabsatz zu meiner Erdgeschosswohnung hochkämpfte, stand gerne unsere im Haus wohnende Vermieterin im Flur und unterhielt sich angeregt mit einer lokalen Größe des Schützenvereins Moosburg-Süd. Beide unterbrachen dann abrupt ihr Gespräch und musterten mich mit einer Mischung aus Abscheu und Neugier, so wie andere an einer Unfallstelle vorbeifahren.
Ich versuchte meinerseits die unangenehme Atmosphäre während des Hervorkramens meiner Wohnungsschlüssel zu durchbrechen, indem ich mein strahlendstes Lächeln aufsetzte (sofern mir das nach zwanzig Stunden Schlafentzug gelang), namentlich grüßte und sie mit einem souveränen Nicken bedachte, als es panisch aus ihr herausbrach:
»Mit den Schuhen gehen Sie aber nicht aufs Parkett! Die ziehen Sie sofort hier draußen aus!«
Beim ersten Mal war ich so perplex, dass ich mich öffentlich dem entwürdigenden Prozess unterwarf und meine Calvin-Klein-Pumps aus der Southpark Mall in Charlotte, South Carolina, neben dem Fußabtreter-Igel von der Kunsthandwerkmesse Freimann, den sie oberhalb der Treppe installiert hatte, parkte. So einer, wo die Stacheln zugleich Bambus-Besenborsten sind, an denen man den Matsch abstreift.
In solchen Momenten denke ich bis heute gerne: »Ich bin gar nicht Stewardess – ich bin Journalistin, Undercover auf Recherche … Das ist alles für den Pulitzer. Verdeckte Ermittlungen im Tomatensaft-Milieu.«
Jedenfalls war das der Tag, an dem alle meine Ichs beschlossen, mich in Drehstuhl-Torbjörn an meinem Schreibtisch Liatorp am Panorama-Erker-Fenster zu setzen und auch einen Brief zu schreiben.
Einen, der Kevin-Korbinian, seine Erzeuger, Emil und das ganze Haus von meiner Schmach befreite: Ich formulierte meine Kündigung. Und zwar mit meinem neuen fantastischen Stift, den dieses Kaff nicht zu würdigen weiß: einem Kuli, den ich geschenkt bekommen habe und in dem eine kleine Fähre zwischen Staten Island und der Kugelschreiberspitze hin- und herfährt, wann immer ich ihn bewege.
Skyline – Meet the Angels.
Rundschreiben
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Kabinenpersonals,
mit großer Freude und großem Stolz haben wir zusammen mit Ihnen kürzlich die Einführung unseres neuen Langstreckenmusters, des Airjet 9000, gefeiert.
Als Skyline-Vorsitzender betrübt es mich zu hören, dass sich nun unter Ihnen der Kosename »Galeere« dafür eingebürgert hat.
Auch im
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