Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

zuliebe bin ich der Traum aller sportlichen Männer geworden: Ich bin Jacqueline Wolfskin!
    Gentleman-like verstaut er jetzt mein Handgepäck im Kofferraum seines BMW Touring. Kennzeichen MZ–A 321. Das ist der Flugzeugtyp, den er am liebsten fliegt. Der Airbus 321. Entsprechend ist seine Handynummer auch 321321. Die Nummer werde ich nie wieder aus dem Kopf kriegen! Mein Leben lang werde ich an ihn denken müssen, sobald ich einen bescheuerten Airbus der 320-Familie sehe!
    Die Nachbarn verfolgen aufmerksam unseren Einsteigevorgang. Mein Chauffeur schlägt die Beifahrertür zu. Ich hätte Hunderte Gründe gehabt mit ihm Schluss zu machen, und jetzt tut er es!
    Erst am Vortag bin ich aus Tokio gelandet und habe den Weiterflug zu ihm auf mich genommen, denn seine Basis ist Frankfurt. Wir haben ganze fünf Tage nicht miteinander kommuniziert, so lange hat mein Aufenthalt gedauert, und ich habe mich umso mehr auf ihn gefreut. Japan ist nämlich das einzige Land, in dem mein Handy nicht funktioniert. Und telefonieren findet Malte generell zu teuer. Immerhin bekommt man für drei Anrufe ins europäische Ausland schon die neueste Herpa Fahrwerksminiatur.
    Er hat mir weisgemacht, dass wir stolz darauf sein könnten, nicht eines dieser Paare zu sein, die nicht auch mal ein paar Tage ohne einander auskommen könnten. Wir seien uns doch unserer Beziehung so sicher, dass dieses Vertrauen alle Weltmeere überwindet, und ich solle immer daran denken, dass, egal, wo er oder ich auf dem Planeten sind, wir doch immer nur einen Flug weit voneinander entfernt seien.
    Dass ich ihm das abgenommen habe, war in etwa so naiv gewesen wie zu glauben, er würde eines Tages seine Hemden über der Hose tragen.
    Das Thema Kleidung war zwischen uns ohnehin nie ein gutes gewesen. Es hatte ein Riesendrama gegeben, als ich mich eines Tages zu einem seiner Grillabende in sommerlicher Garderobe einfand und er in der Küche entdeckte, dass auf meiner weißen Leinenhose quer über dem Hintern ganz blass gedruckt stand: Punkqueen . (Ein Relikt aus Agenturzeiten.)
    Am Ende hatte ich mich überreden lassen, den Kartoffelsalat beiseitezustellen und in eine seiner Cordhosen zu schlüpfen, mit der offiziellen Erklärung, ich hätte mich großflächig mit Gewürzgurkenessig bekleckert.
    Als er nun sportlich auf die A3 Richtung Flughafen einbiegt, ist mir wirklich danach, mich von meinem Mageninhalt zu befreien, obwohl ich noch gar nichts gegessen habe. Wo ist eine Kotztüte im Auto, wenn man eine braucht? Als Stewardess übergebe ich mich in der Kurve einer hessischen Auffahrt viel eher als im Reiseflug, wenn ich gemütlich geradeaus über Kasachstan dahinschwebe.
    Malte schaltet auf Beruf um und setzt seine verspiegelte Sonnenbrille auf. Eine der wenigen Anschaffungen, in denen meine Änderungswünsche bezüglich seines Stylings Früchte getragen haben. Hier und da hatte ich etwas für ihn ausgesucht, um es ihm zu Anlässen wie Weihnachten, Geburtstag, Einmonatiges, Halbjähriges und Einjähriges unterzujubeln, bis meine Mutter zu mir meinte: »Kind, mach den Mann nicht so schön, du willst ihn doch behalten!«
    Nein, Malte Breuer will ich nicht behalten! Er ist ein Vollblutpilot – es grenzt an ein Wunder, dass er in der Spur fährt und nicht wie auf der Startbahn die gestrichelten Linien rechts und links mittig überrollt.
    Gönnerhaft legt er seine Hand unvermittelt auf mein Knie. Womöglich nur ein Reflex, um Schub zu geben?
    Wo zur Hölle ist die Kotztüte? Ich muss an die Werbung einer anderen Airline denken, die auf unsere Spucktüten den Satz gedruckt hat: »Zeigen Sie uns, was Sie von den Preisen der Konkurrenz halten!«
    Ich gucke auf gut Glück ins Handschuhfach. Piloten haben nämlich ständig Zeug von der Bordkabine bei sich. Das verteilen sie dann an fremde Menschen und fühlen sich noch toller als sonst.
    Unvergessen, wie Malte mal im Skiurlaub im Lift ein Follow me-Car aus dem Ärmel zog und es einem kleinen Jungen hinter uns reichte. Dabei rutschte mein Ski aus der Spur, und ich kam oben mit einem halben Ankerlift und einem halben Meniskus an. Aber sobald der Zwerg einen Eco-Flex-Tarif auf Mittelstrecken buchen kann, hat Skyline einen neuen Kunden.
    Fast scheint es, als bekäme Malte immer bessere Laune, je schlechter es mir geht und je näher wir dem Airport kommen.
    Ich möchte etwas sagen. Einen möglichst diplomatischen Satz, der signalisiert, dass er völlig falschliegt, mir das aber vollkommen egal ist, ich die ideale Mutter seiner