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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Lies
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Nishnij Novgorod.
    Der enorme Vorteil ist andererseits, dass man an einem Dienstagmorgen eine private Führung durch den ALDI machen, an einem Donnerstagvormittag das städtische Freibad wie einen Privatpool nutzen und an schönen verregneten Montagen um die Mittagszeit Shrek Forever in 3-D im Cinemaxx sehen kann. Und zwar inklusive des Vorteils, dass die Dame mit dem Eis nur für mich bis hoch in Reihe neunzehn kommt.
    Deshalb ist der Umkehrschluss, Menschen mit Jetlag seien arme Schweine falsch. Wir sind einfach nur anders. Weniger wie Büromenschen, mehr wie Vampire, die auch nach dreiundzwanzig Uhr noch Lust auf eine warme Mahlzeit oder einen Espresso doppio haben.
    Ich war unmittelbar nach Ende der Ausbildung vom SkySleep-Hotel im hessischen Raunheim ins bayerische Umland gezogen, in die Nähe des Flughafens. Den Großteil meines Besitzes habe ich bei meiner Schwester abgeholt, aber finde nach wie vor, dass mein sechsteiliges Wellness-Set Lavendel, meine Deko-Elefantenparade aus Keramik und das Bücherregal in Kirsche sehr viel besser zu ihrem Einrichtungsstil passen als zu meinem, was sie sicher merkt, wenn sie nur noch etwas länger damit zusammenwohnt.
    Kaum hatte ich meine letzten Bildbände Feng-Shui-gemäß von Osten nach Westen eingeräumt, da erhielt ich Post von meinen neuen Nachbarn. Zur Erklärung muss man sagen, es war inzwischen Hochsommer, und deshalb ließ ich, ob ich nun schlief oder nicht, die Rollläden meines hervorstehenden Panorama-Erker-Fensters gerne bis zur Hälfte unten, bis die größte Mittagshitze vorbei war.
    In dem Schreiben stand, dass a) Kevin-Korbinian aufgrund meines Radioweckers, der ständig zu nachtschlafender Zeit (also vor 7:00 Uhr) ginge, vor dem elterlichen Doppelbett stünde, weil er auch die LaLa haben will und b), dass es nun mal nicht ginge, dass ich »bis in die Puppen alles verbunkert« hätte. Man bemühe sich um ein ansehnliches Haus. Man hätte ja nun wirklich viel Verständnis für meinen »Lebenswandel«, aber das ginge doch zu weit.
    Ich war völlig schockiert. Weil ich es a) als unmöglichen Angriff auf meine durch bayerisch-überhöhte Miete teuer bezahlte Privatsphäre empfand und b) weil ich der Typ Mensch bin, der sich für gute Nachbarschaft krummlegt.
    Ich bin der Typ, der die Nachbarn im Hausflur mit Namen grüßt und sogar fremden Besuchern die Haustür aufhält. Der Typ Mensch, der in der offenen Tür wartet, wenn er sieht, dass Frau Mayer aus dem ersten Obergeschoss mit ihren prallgefüllten Jutebeuteln noch rund dreihundert Meter vom Haus entfernt ist, die für alle um 8:00 Uhr morgens an freien Tagen beim obligatorischen Klingeln aufspringt und sämtliche DHL-Päckchen annimmt und auch noch raufbringt in den fünften Stock, damit die beleibte Frau, von der ich annahm, sie warte sehnsüchtig auf ihre Skiausrüstung, dann nur dumpf guckt, mir alles aus der Hand reißt, als hätte ich es ihr geklaut und kommentarlos die Tür schließt.
    Ich frage mich, wie Anfang des Jahrhunderts in gutbürgerlichen Haushalten in Nordrhein-Westfalen damit umgegangen wurde, dass Manni die Nacht unter Tage verbracht hat. Als Ruhrgebietskind kenne ich mindestens zwei andere Kinder aus dem Kindergarten Fockenkamp, bei denen man tagsüber ganz leise sein musste, weil Papa Bergmann war und schlief.
    Und was es noch schlimmer machte war, dass das ganze Haus andererseits platzte vor Stolz, dass »Frau Skyline« eingezogen war. Mich grüßte nämlich keiner mit Namen, wenn ich vor meinen Abreisen schlampte und nicht sorgfältig genug durch den Türspion geprüft hatte, ob die Luft rein war. Dann nämlich schlug aus der Ecke, in der keine Kinderwagen stehen durften (quasi der tote Winkel meines Türspions) Frau Huber mit Dackel Emil zu, kaum, dass ich meinen Koffer hastig zur Tür rausgeschubst hatte.
    »Mei, wohin geht’s denn heit scho’ wieder?«, überfiel sie mich gerne mit lauter Stimme aus dem Nichts und leerte alibihalber an solchen Tagen ihren bereits leeren Briefkasten gerne ein drittes Mal. Alleine das Wieder war völlig unangebracht.
    »Immer am Verreisen. Dass Sie sich des leisten könna!«, fügte sie hinzu.
    »Ich muss das ja nicht bezahlen, wissen Sie. Ich werde dafür bezahlt.« Ich fliege maximal vier Langstrecken im Monat, so dass ich ungefähr zehn freie Tage im Monat habe.
    Ich glaube, im Gegensatz zur Normalbevölkerung sind wir Stewardessen, nach Hausfrauen, dank unserer gesetzlichen Ruhezeiten am zweithäufigsten zu Hause. Allein, wenn man die oft nur

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