Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Lehne. So kann ich die Waffe ruhiger halten.
»Mein Verbrechen«, sagt Grievous, »die Mädchen zu entführen und zu vergewaltigen, bedeutet im großen Lauf der Dinge nicht sehr viel. In tausend Jahren werden die Bingham Girls und das, was ich ihnen angetan habe, niemanden mehr kümmern. Nicht mal in hundert Jahren. Tatsache ist, Professor, dass Männer seit Anbeginn unserer Gattung den Schwanz in Frauen gesteckt haben. So haben wir überlebt. Und wenn ich vorher nicht bitte und hinterher nicht danke gesagt habe, na und? Der Akt bleibt derselbe. Wir stecken den Schwanz rein. Wir pflanzen uns fort.«
»Das ist eine interessante Philosophie, George. Deine Mutter wäre sehr stolz auf dich.«
»Lassen Sie meine Mutter da raus.«
»Ist sie diejenige, die sie bestrafen wollen?«
»Oje, wie enttäuschend«, seufzt er. »Ist das das Beste, was Sie zu bieten haben – freudianische Aggression, Mutterfixierung? Bitte, ich hatte mehr erwartet.«
»Sie haben keine Verlobte, Grievous. Sie ist eine weitere Fiktion. Das war immer Ihr Problem, nicht wahr? Sie finden niemanden zum Lieben. So ist es seit jeher gewesen, seit Ihrer Pubertät, als all die Hormone mit Ihrem Verstand Schlitten gefahren sind. Sie haben sich eine Freundin gewünscht, doch Sie hatten ein Problem. Sie waren auf einem Ohr taub und kriegten nicht richtig mit, was die Leute sagten. Niemand wusste von dem langsam wachsenden, gutartigen Hirntumor.
Sie haben sich geweigert, ein Hörgerät zu tragen oder im Unterricht ganz vorn zu sitzen. Sie wollten nicht, dass es irgendjemand weiß, vor allem die Mädchen nicht. Sie wollten einer von den coolen Jungs sein, die hinten sitzen und sich Zettel zustecken.
Wissen Sie, dass es einen Zusammenhang zwischen Taubheit und Paranoia gibt, Grievous? Wenn man nicht besonders gut hört, denkt man leicht, dass die Leute über einen reden, lachen und Witze machen. Ist es nicht so?«
Er antwortet nicht, doch es sieht aus, als würde er das Messer fester an Pipers Brust pressen.
»Sogar Ihre Lehrer dachten, Sie seien langsam und dumm, sogar Ihre Familie. Und jedes Mal wenn jemand lachte oder sich ein bisschen anders benahm, waren Sie sicher, er macht sich über Sie lustig, tuschelt hinter Ihrem Rücken über Sie.
Sie wollten eine Freundin. Ganz verzweifelt und unbedingt, doch die Mädchen wiesen Ihre erbärmlichen Bemühungen, um sie zu werben, zurück. Ich meine das gar nicht kritisch oder herablassend. Es war nicht Ihre Schuld. Sie haben diese Mädchen verehrt. Sie hätten sie wie Göttinnen behandelt, mit Liebe überschüttet, ihnen Gedichte geschrieben, ihnen Liebeslieder gesungen. Aber sie wollten nichts von Ihnen wissen, oder? Sie haben sich für die Jungs entschieden, neben denen sie gut aussahen, die ihnen Status verliehen, für die sie schwärmten.
Sie haben von diesen unerreichbaren Mädchen geträumt und fantasiert. Sie haben sie vor sich gesehen, als Sie sich im Kraftraum geschunden und die Pfunde abtrainiert haben. Sie haben sich ausgehungert. Und dann entdeckte man eines Tages den Tumor in Ihrem Kopf, die Chirurgen schnitten ihn heraus, und plötzlich konnten Sie hören. Sie funktionierten wieder. Jetzt konnte Sie nichts mehr aufhalten.«
Ich mache eine Pause, sehe ihn an und spüre, wie nahe ich der Wahrheit bin.
»Und was ist dann passiert?«, frage ich.
Er antwortet nicht.
»Lassen Sie mich raten. Sie haben eines der unerreichbaren Mädchen eingeladen, und es hat Ja gesagt. Sie war nett. Freundlich. Hübsch. Sie hat Sie nicht geneckt, sich keine gemeinen Spitznamen für Sie ausgedacht oder sich über Ihre Schwerhörigkeit lustig gemacht. Sie waren hin und weg, Sie schwebten wie auf Wolken, noch nie in Ihrem Leben waren Sie so glücklich.
Es war auch nicht so, dass Sie Sex mit ihr wollten – jedenfalls nicht sofort. Sie wollten reden, sie romantisch umwerben, ihr zeigen, was Sie zu bieten hatten. Aber dann haben Sie sich verkrampft. Sie wurden wortkarg. Hören zu können machte keinen Unterschied, weil Sie Ihre Nervosität und Scheu nicht ablegen konnten. Sie wussten nicht, wie man sich entspannt und einfach man selbst ist. Anstatt ein neuer Mann zu sein, waren sie derselbe alte Gerald – der langsame Gerald, der paranoide Gerald.
Hat sie über Ihren ersten unbeholfenen Kussversuch gelacht? Oder war das ganze Date nur ein Witz? Vielleicht haben ihre hübschen Freundinnen sie dazu angestiftet. Haben Sie Natasha deswegen ausgewählt? Hat sie Sie an die Mädchen erinnert, die Sie damals ausgelacht
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