Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
gehen wir wieder?«
»Natürlich.«
»Und Sie werden mir die Peinlichkeit ersparen, Ihre Theorien gegenüber Grievous zu wiederholen?«
»Ja.«
Wir gehen durch das Tor und den Pfad zur Haustür hinauf. Casey klingelt. Niemand antwortet.
»Er ist nicht zu Hause.«
»Versuchen Sie es noch einmal.«
»Ich hätte mich nie hierzu überreden lassen dürfen.«
Die Tür geht auf. Grievous wirkt perplex und strahlt dann. »Alles in Ordnung, Jungs?«
»Ja, klar«, sagt Casey. »Wir sind bloß hier vorbeigekommen und dachten, wir schauen mal rein.«
»Frohe Weihnachten«, sage ich.
»Das wünsche ich Ihnen auch.«
Er hat die Tür immer noch nicht ganz geöffnet.
»Haben Sie Besuch?«, frage ich.
»Nein.«
»Wo ist Ihre Verlobte?«
»Sie verbringt Weihnachten bei ihrer Familie in Cornwall.«
»Schade, ich hätte sie gern mal kennengelernt«, sagt Casey. »Sie sind heute nicht zur Arbeit gekommen.«
»Ich hab erst spät Feierabend gemacht und dann ausgeschlafen. Der Boss meinte, es wäre okay, wenn ich mir einen Tag freinehme. Meiner Mum geht’s nicht gut. Könnte ihr letztes Weihnachten sein.«
»Das tut mir leid.«
»Ich wollt gerade zu ihr rüber. Sie wohnt gleich um die Ecke.«
»Für ein kleines Gläschen ist doch bestimmt noch Zeit«, sagt Casey mit einem leutseligen Grinsen. Er drängt sich an Grievous vorbei in den Flur und blickt in das verdunkelte Wohnzimmer.
»Hübsches Haus. Wohnen Sie schon lange hier?«
»Ein paar Jahre.«
Wir werden den Flur hinunter in eine schäbige Küche geführt, Baujahr circa 1970, Schränke mit Holzfurnier, Porzellanbecken und ein abgetretener Linoleumboden. Jacken hängen über den Stuhllehnen. Casey nimmt breitbeinig Platz, die Pose eines großen Mannes.
»Wir sollten feiern«, sagt er.
»Wieso?«, fragt Grievous.
»Wir haben Phillip Martinez wegen der Entführung der Bingham Girls verhaftet. Sie haben einen großen Tag verpasst. Martinez hat ein zweites Haus. Es wird in diesem Augenblick auf der Suche nach Piper Hadley auf den Kopf gestellt. Wir waren gerade auf dem Weg dorthin.«
»North Oxford liegt in der entgegengesetzten Richtung«, sagt Grievous.
»Woher wussten Sie, dass es in North Oxford ist?«, fragt Casey.
»Sie haben es erwähnt.«
»Nein, habe ich nicht.«
Einen Herzschlag lang herrscht Stille, während die beiden Männer sich anstarren. Der eine sucht nach Klarheit, der andere nach einem Ausweg. Grievous’ Augen zucken verräterisch.
»Jetzt haben Sie mich erwischt«, sagt er verlegen. »Ich hab oben eine Radarantenne. Ich hab den Polizeifunk abgehört. Selbst wenn ich nicht arbeite, kann ich den Job nicht vergessen.«
Casey lacht mit ihm. »Zeit, dass Sie heiraten, Junge.«
»Ja, da haben Sie recht«, sagt Grievous und sieht mich an. Ich kann nichts in seinen Augen erkennen. »Also warum sind Sie wirklich hier?«
»Ich fahre zurück nach London«, sage ich. »Ich wollte mich dafür bedanken, dass Sie mich überall herumchauffiert haben. Ich hatte gar keine Gelegenheit, mich zu verabschieden.«
»Oh«, sagt Grievous und entspannt sich. »Nun, es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Professor.«
»Sie haben nie gelernt, mich Joe zu nennen«, sage ich, schüttele seine Hand und halte sie einen Moment länger fest als erwartet, während ich sein Gesicht betrachte. Dann lasse ich ihn los. »Darf ich mal Ihre Toilette benutzen, Grievous?«
»Klar, die Treppe hoch, die erste Tür rechts.«
Ich versuche, Blickkontakt mit Casey herzustellen, doch der redet mit Grievous über Küchenrenovierung. Ich steige in den ersten Stock und blicke kurz über das Geländer, bevor ich ins Bad gehe.
Dort drehe ich den Wasserhahn auf und öffne den Schrank über dem Waschbecken. Rasierschaum, Zahnseide, Haargel. Keine Frauenartikel. Ich schleiche über den Flur zum ersten Schlafzimmer. Dabei höre ich, wie Casey und Grievous unten Bierdosen knacken.
Das Zimmer ist als Fitnessstudio eingerichtet, mit einer Bank und Hanteln, die in einem Regal gestapelt oder an einer Querstange aufgehängt sind. Ansonsten fällt nur ein altmodischer Sekretär mit kleinen Holzschubladen ins Auge. Auf der versenkbaren Tischplatte blinkt ein zugeklappter Laptop, auf dem oberen Regal leuchten digitale Zahlen auf der Anzeige eines Funkempfängers.
Ich gehe über den Flur in das Hauptschlafzimmer, das von einem ungemachten Doppelbett mit aufgeschlagener Decke beherrscht wird. Auf einem Ständer vor dem Erkerfenster steht ein Flachbildfernseher, daneben ein Stapel DVD s,
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