Sag nie, nie wieder
gedacht, dass sich innerhalb eines Jahres so viel verändern würde? Das waren doch nur zwölf Monate gewesen, dreihundertfünfundsechzig Tage. Vor einem Jahr um diese Zeit hätte er sich nicht träumen lassen, dass er auf Davids Hochzeit der einzige noch unverheiratete McCoy sein würde.
Sean trat zu ihm. „Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter."
Connors Miene verdüsterte sich beim Anblick seines Vaters noch mehr. Gut, er selbst war einer von zwei allein stehenden McCoys. Pops war der andere, ein Witwer. „Was für ein Gesicht sollte ich denn machen? Ich musste in diesem Jahr schon zum vierten Mal einen Smoking leihen. Die Angestellte in dem Laden fragte mich doch tatsächlich, ob ich das Ding nicht kaufen möchte." Er zerrte an den Ärmeln, die ihn beengten. Es war typisch für David, die Zeremonie für den Mittag und die Feier für sieben Uhr abends anzusetzen. Dadurch musste er den Smoking am selben Tag zwei Mal tragen.
Sean bestellte sich etwas. In dem Maßanzug und mit dem wei
ßen Haar sah er tatsächlich wie ein älterer Junggeselle aus, der noch zu haben war. „Ach, ich weiß nicht. Du könntest dich für deinen Bruder freuen und stolz auf ihn sein."
Connor verschluckte sich fast an seinem Bier. „Stolz?"
Pops lächelte. „Ja. Ich finde, unsere Jungs haben sich wunderbare Frauen ausgesucht. Meinst du nicht auch?"
Connor wandte sich ab. Die Art, wie sein Vater „unsere Jungs" sagte, verschaffte ihm ein flaues Gefühl im Magen. Auf der Tanzfläche drehte sich die zierliche Michelle mit dem schlaksigen Jake gleich neben Mel und Marc, die tanzten, als wären sie selbst die Jungvermählten und nicht seit kurzem Eltern.
Apropos Eltern ...
Connor ließ den Blick über die Tische mit den bunten Blumenarrangements gleiten und entdeckte Melanies Mutter Wilhemenia. Sie trug ein hoch geschlossenes, wadenlanges dunkelblaues Kleid, doch trotz des strengen Äußeren wirkte ihr Gesicht sehr sanft. Im Arm hielt sie den kleinen Sean Jonathon McCoy, benannt nach Sean und Mels verstorbenem Vater Jonathon.
Wilhemenia sprach mit dem Kind und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
Connor betrachtete seinen drei Monate alten Neffen. Er erinnerte sich, wie David in dem Alter gewesen war. Und jetzt hatte David geheiratet.
Wo war bloß die Zeit geblieben? Und wieso wurde er das Gefühl nicht so, dass sie ihm durch die Finger glitt?
Sean räusperte sich. „Du hast doch nicht erwartet, dass deine Brüder ledig bleiben."
„Warum nicht?" antwortete er seinem Vater. „Was ist falsch daran, nicht zu heiraten?"
„Nichts, aber man könnte auch fragen, was falsch daran ist zu heiraten."
Connor blickte wieder zu Wilhemenia Weber. „Sprechen wir über dich, Pops?"
„Nein, sondern über deine Brüder." Sean seufzte. „Du hast deutlich gesagt, was du davon hältst, falls ich eine Beziehung zu einer Frau eingehen würde. Darum möchte ich dieses Thema nicht mehr anschneiden, schon gar nicht, weil du heute zum ersten Mal seit Monaten mit mir sprichst und nicht nur grunzt."
„Ich grunze nie."
„Wie du meinst." Sean lächelte unerwartet.
Connor lächelte zurück. „Ich hatte ein großartiges Vorbild."
„Das stimmt, und demnächst müssen wir beide uns ausführlich unterhalten."
„Entschuldigung. Connor?"
Beim Klang der Frauenstimme drehte Connor sich so schnell um, dass er beinahe das Bier verschüttet hätte. Vor ihm stand eine der in Purpur gekleideten Brautjungfern. Sie sah niedlich aus, mit dem blonden Haar und dem koboldhaften Lächeln, wirkte wie eine Zwölfjährige und reichte ihm gerade bis zum Bauchnabel.
„Tanzen Sie mit mir?" fragte sie.
Tanzen? Er? Connor hatte noch nie einen Fuß auf eine Tanzfläche gesetzt. Und er hatte nicht die Absicht, jetzt damit zu beginnen. „Nein."
Die junge Frau trat eiligst den Rückzug an.
Pops schüttelte den Kopf. „Warst du nicht ein wenig schroff?"
Möglich, doch das gab er seinem Vater gegenüber nicht zu.
„Nein, nur so klappt es. Ist man nett, glauben Frauen, man möchte von ihnen erobert werden. Weist man sie höflich ab, kommen sie wieder." Er sah zu, wie sich die hübsche Blondine zu den anderen gesellte. „In fünf Minuten ist sie darüber hinweg. " Pops musterte ihn mit einem Blick, den Connor nicht deuten konnte und der ihm nicht behagte. „Was ist?" fragte er schließlich gereizt.
„Ach, nichts." Sean deutete zur Tanzfläche. „Weißt du, um Davids willen könntest du wenigstens vortäuschen, du würdest dich gut
Weitere Kostenlose Bücher