Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
ich …«
»Wo ist Angela?«
»Oben, bei Mom.«
Er drehte sich um und rannte zu meiner Mutter und Angela die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Ich blieb verängstigt und verwirrt am Küchentisch zurück. Innerhalb von Sekunden drangen gedämpfte Stimmen die Treppe herunter an mein Ohr, ich vermochte aber keine einzelnen Worte zu verstehen.
Ich konnte meine Neugier nicht länger im Zaum halten und stieg leise die Treppe hinauf, mir jeder knarrenden Stufe bewusst, und kauerte mich direkt vor Angelas Schlafzimmertür in den Flur.
Ich hörte Angelas Schluchzen und Onkels Stimme, der ihr, unterbrochen von sporadischen Einwürfen meiner Mutter, Fragen stellte. Das ging eine ganze Weile so, aber ich konnte immer nur jedes dritte oder vierte Wort verstehen.
Ich versuchte so angestrengt, etwas zu hören, und war so konzentriert, dass ich keine Gelegenheit mehr hatte, fortzukommen, als meine Mutter und Onkel aus dem Schlafzimmer kamen. Folglich lehnte ich mit lässig verschränkten Armen an der Wand, als sie Angelas Schlafzimmertür leise hinter sich schlossen, und fragte: »Was ist passiert?«
Meine Mutter wischte sich die Tränen aus den Augen und schmierte Eyeliner in dicken, schwarzen Streifen über ihre Wangen wie eine Kriegsbemalung. »Geh einen Moment hinaus«, sagte sie abweisend.
»Ist mit Angie alles in Ordnung?«
»Geh einen Moment raus.« Sie drehte sich so heftig nach mir um, dass ich für einen Augenblick dachte, sie würde mich schlagen. Als sie bemerkte, wie ich ihre abrupte Bewegung aufgefasst hatte, streckte sie sanft die Hand aus und legte sie auf meine Wange. »Geh raus. Der Onkel und ich müssen reden.«
Bevor ich widersprechen konnte, ging sie die Treppe hinunter.
Als Onkel ihr nachfolgte, flüsterte er mir zu: »Bleib in der Nähe.«
Ich ließ mir Zeit auf der Treppe, durchquerte langsam die Küche und tat, als würde ich die Fliegengittertür zuschlagen, während sie nebenan im Arbeitszimmer zu reden begannen. Für sie unsichtbar näherte ich mich Zentimeter für Zentimeter, blieb unmittelbar hinter der offenen Tür stehen und hörte Eis in Gläser fallen, als Onkel für sie beide Drinks einschenkte.
»Marie, vielleicht solltest du die Polizei rufen.«
»Ich hätte nie gedacht, dass ich das von dir zu hören bekommen würde.«
»Ja, aber unter diesen Umständen ist es vermutlich das Beste.«
»Und was werden die tun, außer dieses arme kleine Mädchen die ganze Hölle noch einmal durchleben zu lassen? Im Übrigen ist der Hurensohn minderjährig, ihm wird nichts passieren. Das läuft auf Aussage gegen Aussage hinaus …«
»Sie ist zwölf, um Himmels willen. Sie haben Tests, die beweisen werden, dass sie vergewaltigt wurde.«
Mein Hals war wie zugeschnürt, und ich fühlte mich plötzlich, als würde es mir den Magen zerreißen.
»Und er bekommt einen Klaps auf die Hand, das wars … und das weißt du.«
»Marie, beruhige dich für eine Minute und denk darüber nach.«
»Sag mir verdammt noch mal nicht, ich soll mich beruhigen.«
»Ob er einen Klaps auf die Hand kriegt oder nicht, ist nicht der Punkt hier. Du musst Angie trotz allem zu einem Arzt bringen. Wenn du es geheim halten willst, weiß ich jemanden.«
»Irgendeinen Kurpfuscher? Na prima. Aber was ist mit diesem Michael Ring?«
Gallenflüssigkeit stieg tief in meinem Hals auf. Ich würgte sie zurück.
»Was ist mit ihm?«
»Ich will irgendetwas tun.«
»Was denn?«
»Zum Beispiel den kleinen Bastard umbringen.«
Das Schweigen, das darauf folgte, schien eine Ewigkeit zu dauern, während unzählige Gedanken durch meinen Kopf schossen und ich versuchte, sie irgendwie zu ordnen und einen Zusammenhang herzustellen.
»Du weißt, dass ich das nicht tun kann«, sagte Onkel schließlich.
»Ich weiß nur, dass du nichts tun wirst .«
»Jetzt behalt die Nerven.«
»Du kannst die Nerven behalten. Ich will ihn tot sehen. Ich will, dass du ihm den Schwanz abschneidest und ihn damit erstickst. Nutz deine Beziehungen, lass ein paar von den Drecksäcken los, die du kennst, um das zu erledigen, aber ich will, dass er stirbt. Ich will ihn verdammt noch mal tot sehen.« Ihre Stimme brach, als ihre Wut sich in Tränen entlud. »Dieser Hurensohn! Dieser verdammte Hurensohn!«
»Hör mir zu«, unterbrach sie Onkel. »Wenn du die Polizei nicht mit hineinziehen willst, kann ich … kann ich es erledigen, in Ordnung?«
»Dann tu es auch.«
»Aber ich kann dieses Kind nicht umbringen.«
»Wieso nicht?«
»Ich weiß, dass du im Moment
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