Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
außer dir vor Zorn bist und das darfst du auch – scheiße, mir geht es genauso –, aber du musst versuchen, deinen Verstand einzuschalten. Wir sind hier nicht im Kino oder in irgendeinem Roman. Du redest von Mord, und das willst du nicht auf dich laden. Glaub mir das.«
»Ich scheiß darauf.«
»Und zweitens ist Angela am Leben.«
»Du redest hier mit mir, Paulie, nicht mit den Kindern. Du brauchst für mich nicht den Helden zu spielen, also erspar mir deine Straßenmoral, in Ordnung? Das Arschloch hat mein kleines Mädchen ins Gebüsch gezerrt und – dieses arme, unschuldige, kleine Mädchen, er …«
»Marie, so einfach ist das nicht. Wenn du diesen Weg einschlägst, weiß niemand, was noch passiert, verstehst du? Du hast gesagt, dass es nicht so aussieht, als hätte sie einen ernsthaften körperlichen Schaden davongetragen, aber wir bringen Angie zu dem Arzt, den ich kenne, und lassen sie von ihm untersuchen, um sicherzugehen. Jeder andere Arzt müsste das melden, und das können wir nicht zulassen. Niemand ahnt etwas, und wir müssen mit Angela reden und sicherstellen, dass niemand je erfährt, was ihr passiert ist. Niemand. Wenn es irgendjemand herausfindet und diesem Ring-Arschloch passiert etwas, werden sie als erstes bei dir und bei mir nachsehen.«
»Es ist mir egal, wie wir es anstellen müssen«, sagte sie flach. »Ich will, dass er stirbt.«
»Und was glaubst du, was ich bin, um Himmels willen, irgendein Psychopath, der herumläuft und Leute umbringt?«
Die Antwort war Schweigen.
Während mein Herz hart gegen meine Brust schlug, schlüpfte ich aus der Küchentür in den Garten. Die Welt war ein wässrig verschwommener Fleck. Ich weiß nicht, wie lange ich am Gartentisch saß und versuchte, meine Tränen zu unterdrücken und einen klaren Gedanken zu fassen, ich weiß nur, dass Onkel plötzlich neben mir auftauchte und mich zurück in die Wirklichkeit riss.
»Hast du gehört, was wir geredet haben?«, fragte er.
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und sah ihn an. »Kommt Angela wieder in Ordnung?«
Er zog eine Schachtel Zigaretten aus der Innentasche seiner Jacke, klopfte eine aus der Packung und schob sie in seinen Mundwinkel. »Was glaubst du? «
Ich kannte die Antwort. Sie würde – konnte – nie wieder dieselbe sein, und obwohl ich verzweifelt versuchte, die Wut mitzuempfinden, die meine Mutter durchlebte, fühlte ich nichts als abgrundtiefen Kummer. Nichts, was wir tun oder sagen konnten, würde je etwas daran ändern oder Angela vor dem bewahren, was bereits geschehen war.
»Was tun wir?«
»Wir machen uns auf den Weg«, sagte Onkel und zündete seine Zigarette an. »Du und ich.«
»Wieso?«
Er nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch durch die Nase. »Kennst du einen Jungen namens Michael Ring?«
»Wir gehen zusammen zur Schule«, sagte ich und tat mein Bestes, die Übelkeit in der Tiefe meines Magens zu kontrollieren. »Wir sind in der gleichen Klasse.«
»Weißt du, wo er wohnt?«
»Ja.«
Er nickte. »Dann zeig es mir.«
5
Als ich die Franklin Avenue erreichte, war der Regen endgültig in schweren, nassen Schneefall übergegangen. Selbst eine Arbeitergemeinde wie Warden konnte unter der weißen Schneedecke nicht anders als schön und irgendwie magisch aussehen. Als ich als Kind hier gelebt hatte, war Warden eine ständig wachsende Gemeinde gewesen, die bereits damals schon darum kämpfte, sich ihre Identität zu bewahren. Aber jetzt war es eine voll entwickelte kleine Stadt, die bei ihrer Entwicklung ihren Charme, ihre Wärme, ihre Vertrautheit und Individualität für die Zweckmäßigkeit und den seelenlosen Glanz verkauft hatte, die fast jede andere Gemeinde im Land ebenfalls auszeichneten. Selbst die Hauptstraße sah anders aus. Die meisten der kleinen Geschäfte, die hier vor Jahren existiert hatten, waren verschwunden, und die übrig gebliebenen gehörten zu großen Firmenketten und waren nicht mehr die unabhängigen, privaten Läden, die sie einst gewesen waren. Wo einmal der idyllische alte Gemischtwarenladen gewesen war, stand jetzt ein protziger Einkaufsmarkt mit zwei Reihen Zapfsäulen auf der Vorderseite, und das Kaufhaus, in dem Boone und ich unseren Verdienst für das Rasenmähen ausgegeben hatten, war jetzt ein Videogeschäft mit gigantischen Schaufenstern, die mit Filmplakaten und grellbunten Angeboten bedeckt waren.
Mickey’s Diner gab es noch, aber auch dort hatten erhebliche Renovierungsarbeiten stattgefunden, und er ähnelte jetzt eher einem
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