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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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gut.«
    »Und den Kindern?«
    »Prima.«
    »Wie geht es Martha?«, fragte sie zurück.
    »Gut, es geht ihr gut.« Ich druckste herum, nicht sicher, was ich mit mir anfangen sollte. »Tut mir leid wegen vorhin, ich …«
    »Andy, werd nicht albern«, sagte sie mit einem Seufzer. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, wenn du bei so einem Anlass zusammenbrichst.«
    »Irgendwie ist alles gleichzeitig über meinem Kopf zusammengeschlagen, weißt du?«
    Sie nickte. »Ich kenne das Gefühl.«
    »Wie hältst du dich aufrecht?«
    »Ich habe den Großteil des Tages selbst geheult. Ich war so sicher, dass ich alles unter Kontrolle habe, und dann ist es alles einfach über mir eingebrochen, wie eine Tonne Ziegelsteine. Das passiert manchmal. Vor Gericht sehe ich das des Öfteren, besonders, wenn Leute verurteilt werden.«
    Ich konnte sehen, dass sie versuchte, sich aufs Thema zu konzentrieren, um sich von den Gefühlen abzulenken, und ich folgte ihrem Beispiel.
    Sie ging ein wenig näher auf den Altar zu, und sah ihn nachdenklich an. »Hast du jemals von Medjugorje gehört?«
    Ich erinnerte mich, vor Jahren im Fernsehen etwas darüber gehört zu haben. »Nur vage.«
    »Das ist ein Bergdorf im ehemaligen Jugoslawien … In den Achtzigerjahren ist dort sechs Kindern angeblich die Jungfrau Maria auf einem Berggipfel erschienen, und seitdem hat sie sie regelmäßig in religiösen Visionen besucht, die über sie kommen. Es wird behauptet, Maria würde ihnen in diesen Visionen Geheimnisse über die Zukunft der Menschheit und das mögliche Ende der Welt enthüllen. Die Kirche hat das bisher nicht als echt bestätigt, obwohl diese Erscheinungen anscheinend auch heute noch stattfinden. Die Kinder, die die Erscheinungen haben, wurden zahllosen medizinischen Untersuchungen unterzogen, und man stellte fest, dass weder körperlich noch geistig etwas verkehrt ist mit ihnen. Sie spielen das nicht vor, es ist kein Schwindel. Der Prüfungsausschuss untersucht noch immer, ob das, was ihnen widerfährt, übernatürlich ist oder nicht – aber irgendetwas nehmen sie tatsächlich wahr. Wie auch immer, in der Presse und den Nachrichten hat das so viel Aufmerksamkeit erregt, dass Medjugorje in den späten Achtzigern auf der ganzen Welt bekannt war und buchstäblich Millionen von Menschen dorthin gereist sind, um zu sehen, was sich dort abspielt, Gläubige ebenso wie Zweifler.«
    Sie versank kurz in Gedanken, dann fuhr sie fort: »In einem Dokumentarfilm darüber haben sie diese Horden von Leuten gezeigt, die aus aller Welt angereist waren und an einem Nachmittag im Dorf die Messe feierten. Urplötzlich verliess ein Mann die Gruppe und ging allein weg. Es war ein Amerikaner mittleren Alters, ein Allerweltstyp. Die Kamera folgte ihm, als er die Messe verließ und allein in einen kleinen Innenhof ging. Er betete offensichtlich und versuchte, sich zusammenzureißen, doch dann fiel er unvermittelt auf die Knie und brach in Tränen aus. Sein Weinen war aber nicht das eines Erwachsenen, mehr wie das eines Kindes. Er kniete da und gab unkontrollierte Klagelaute von sich, völlig gebrochen und überwältigt von dem, was wohl eine großartige Offenbarung sein musste. Eine Offenbarung, die ihn irgendwie zerriss, ihn aber auch befreite; Schuld und Schande, Strafe und Erweckung, alles gleichzeitig. Ich habe noch nie jemanden so weinen gesehen.«
    Sie wandte sich vom Altar ab und sah mich an. »Bis heute Abend. Ich habe es heute Abend zweimal erlebt. Einmal bei mir selbst und einmal bei dir.«
    »Wir haben so viel Schmerz erlebt. So viel Gewalt.«
    Sie nickte. »Aber es gab auch Freude.«
    »Beides.«
    »Beides«, bestätigte sie. »Ich weiß nicht, ob das, was in irgendeinem kleinen, jugoslawischen Dorf am anderen Ende der Welt passiert ist, echt ist oder nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein. Der Punkt ist, unabhängig davon, wo wir sind oder was passiert oder auch nicht, wir alle tragen, was wir in diesem Leben zu tragen haben, wir tun, was wir tun und hoffen bei Gott, dass es zumindest halbwegs das Richtige ist. Ich schicke jeden einzelnen Tag der Woche Leute ins Gefängnis, Andy, und an den meisten Tagen weiß ich, dass ich damit etwas Gutes tue und die Welt zu einem besseren, sichereren Ort mache. Ein Teil von mir sperrt jedes Mal Michael Ring mit ein, ein Teil von mir Onkel, ich begrabe sie beide, zusammen mit dem kleinen Mädchen, dass ich einmal war, jeden von uns in seiner eigenen kleinen Kiste, wie Puppen, mit denen keiner mehr spielen will. Das ist

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