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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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meine Gebete. »Aber nicht ganz.«
    Ich liege auf dem Rücken, mit dem Kopf auf Marthas Schoß, ihre Hände und Arme halten mich wie ein kleines Kind. Ich kann ihren Herzschlag und das sanfte Streicheln ihres warmen Atems spüren, als er über meine Stirn und meinen Hals entlangstreicht. Ihr Haar hängt über mir wie ein Vorhang, und sie lächelt ganz leise, ihre Augen blinzeln langsam.
    Regen wird gegen die Fenster gesprüht, als ein leichter Wind hineinbläst, der sich ebenso schnell wieder legt, wie er aufgekommen ist. Draußen ist die Welt sauber und nass und rieselt und tropft – lebendig und in Bewegung –, doch hier in unserem Nest sind wir vor all dem geschützt, nahe, aber doch abseits. Der Vorteil oder vielleicht der Preis der Sicherheit.
    Als ihre Finger meine Wange streicheln, nehme ich ihre Hand sanft in die meine; ich drehe sie langsam, um ihre Handfläche freizulegen und die Narben an ihrem Handgelenk, die dort vor langer Zeit hineingeschnitten wurden, als sie jemand anderes war. Sie gestattet mir, sie anzusehen, wie ich es manchmal tue, aber ich spüre ihr Zittern.
    Ich blicke auf in ihr schönes Gesicht, auf die Narben, die auch in ihm leben, nicht in die Haut gegraben, sondern irgendwo darunter verborgen, und ich weiß, sie sieht auch die meinen.
    Ich streiche mit dem Daumen über das Narbengewebe an ihrem Handgelenk, das zerklüftet ist wie Risse im Wüstenboden. »Ich kann dich beschützen«, flüstere ich.
    »Wir können einander beschützen«, antwortet sie.
    Als sich Martha tiefer über mich beugt und wir einander küssen, spüre ich, wie sich die Kätzchen am Fußende des Bettes bewegen, winzige Pfoten, die nach uns tasten, als sie aufwachen. Und während es unmittelbar hinter den Wänden, die uns umgeben, weiterregnet, gleiten wir fort, an einen anderen Ort. Gemeinsam.
    Ich wusste nicht mehr, wie lange ich in der Kirche gesessen hatte, aber es musste eine ganze Weile gewesen sein. Obwohl es in dem Gebäude nicht besonders warm war, hatten die Kälteschauer nachgelassen, die mich draußen geschüttelt hatten.
    Als die Putzfrau hinter dem Vorhang am Altar verschwunden war, betrachtete ich die Narben von Christus, die Dornenkrone und das Blut, das für immer in sein Gesicht eingegraben war.
    »Hast du das gewusst?«, fragte ich. »Wusstest du, was aus dir werden sollte?«
    Ich kämpfte gegen das Gefühl an, doch es traf mich in Wellen, eine nach der anderen, zog mich nach unten wie eine Unterströmung und hielt mich dort fest. Die Erinnerungen stiegen mosaikartig in mir auf, und ich bemühte mich, mich auf sie zu konzentrieren, während sie mich überfluteten:
    Henry in einem schäbigen Zimmer über einer Poolhalle, der seine Nächte betrunken verbringt, sich an sein Brecheisen klammert wie an eine Geliebte und wie ein Dämon mit rot glühenden Augen über splitternde Schlüsselbeine nachsinnt. Wie leicht könnte jeder einzelne von uns so sein. Boone allein in seiner Wohnung, wie er alte Fotos anstarrt und durch die Comic-Hefte blättert, und auf etwas – irgendetwas – wartet, das ihn rettet.
    Louise in ihren altmodischen Kleidern und Stilettoabsätzen, Zigaretten rauchend, ihren Lippenstift nachziehend und in ihrer gläsernen Kabine eingeschlossen, wie sie darum kämpft, sich an einen kurzen Moment der Zufriedenheit und ein Leben zu erinnern, dass ihr nie ganz vergönnt war, das Versprechen immerwährenden Glücks von ihrem Geliebten immer knapp außerhalb ihrer Reichweite.
    Meine Mutter, die mit nur zu realen Albträumen ringt, durch den Rest ihres Lebens schlurft wie ein altes Auto, das im Leerlauf vor sich hinqualmt, sich ihres einstigen Lebens und seiner Möglichkeiten nur noch vage bewusst.
    Onkel, lebendig und tot und alles dazwischen, zwischen Erinnerungen und Schatten, Blut und Lachen entgleitend, zerschmetternd und zerstörerisch und liebevoll, wenn er uns hält, auf dem Fahrersitz eines Autos sitzend, bevor er nach vorne geschleudert wird, die Kugel von hinten in ihn eindringt und aus der Vorderseite seines Kopfs explodiert. Sein Gehirn auf dem Armaturenbrett und der Windschutzscheibe, seine Erinnerungen verloren in einem Wimpernschlag, seine Augen schwarz, tot auf dem Tisch eines Leichenbeschauers. Weg.
    Martha zu Hause mit den Kätzchen, sie wartet auf mich, ein Teil von ihr hofft, dass ich zurückkomme, ein anderer, dass stattdessen jemand anderes durch diese Tür kommt, jemand der verändert, geheilt ist.
    Angela, jung und unschuldig, älter und weiser, irgendwie beides

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