Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
Vom Netzwerk:
Kopf zurück und streckt die Zunge heraus wie ein Kind.
    Und dann bin ich auch dort. Plötzlich und ohne Erklärung sitze ich in der Ecke des Raums. Ich sitze da und beobachte sie. Ich bin ihr Kind, ihr Baby, und sie ist meine Mutter, und doch sind wir in diesem seltsamen Raum zwischen Realität und Träumen gleich. Zwei blinde Mäuse, die in der Dunkelheit verzweifelt die Hände nach einer Spur des Göttlichen und all den Versprechen ausstrecken, die ein solches Ziel mit Sicherheit bereithält.
    Sie geht durch den Schnee zu der Ecke, kauert sich vor mich. »Ist dir kalt?«
    »Ja«, antworte ich.
    Sie kriecht neben mich und setzt sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden. »Es ist in Ordnung«, sagt sie und breitet die Arme aus.
    Ich beuge mich näher zu ihr, gestatte ihren Armen, mich zu umschlingen, mich an sie zu ziehen. Sie ist warm und weich, und ich fühle mich sicher an diesem Ort, wo mein Leben begonnen hat. Ich umarme auch sie, hoffe, dass meine Umarmung ihr das gleiche Gefühl vermittelt.
    »Es geht dir gut«, flüstert sie.
    »Aber geht es dir auch gut?«
    Sie blickt wieder zu den Fenstern, antwortet aber nicht.
    Der Schnee fängt an zu haften, an uns zu kleben wie eine Membran. Langsam gleitet der Kokon über uns, hüllt uns ein und zwingt uns stillzusitzen. Selbst als er uns die Luft nimmt, selbst als wir um Atem ringen, selbst als das Licht vor den Fenstern verblasst und alles schwarz wird, kann ich die verzweifelten, geflüsterten Gebete meiner Mutter hören.
    Diesmal erwachte ich nicht in einem Wust schweißdurchtränkter Laken, sondern fand mich auf der anderen Seite des Fensters sitzend wieder, getrennt von meiner Mutter, jedoch nicht für lange.
    Angelas Mietwagen stand vor dem meinen in der Einfahrt geparkt. Sie saß hinter dem Steuer in der Dunkelheit und wartete auf mich.
    Während ich mich in meinem eigenen Flecken Dunkelheit versteckte, kamen mir aus irgendeinem Grund Erinnerungen an Michael Rings Eltern in den Sinn. Das einzige Mal, dass ich sie gesehen hatte, war, als sie in einer lokalen Fernsehsendung zu sehen waren, nicht lange nach dem Verschwinden ihres Sohnes. Ich hatte gebannt und gleichzeitig erschrocken zugesehen, wie seine Mutter mit roten Augen und dunklen Ringen darunter eine Fotografie ihres Sohnes hochhielt. Sie sah zu alt aus, um die Mutter des Jungen zu sein – eher wie seine Großmutter – und schien von allem nur Vorstellbaren niedergedrückt zu sein, doch in erster Linie wirkte sie allein. Entsetzlich und vollkommen allein. Sein Vater war ein großer, schweigsamer Mann. Er sah abweisend und eher verlegen und verärgert als besorgt aus. Er wirkte ebenfalls zu alt, um Michael Rings Vater zu sein. Nichts davon schien zusammenzupassen. Nichts schien in Ordnung.
    Und das war es auch nicht.
    Was haben sie dir angetan?, fragte ich mich. Und was hast du ihnen angetan?
    Was hast du uns allen angetan?
    Meine Gedanken schweiften zu dem Tag in Onkels Wohnung, dem Tag, an dem er mir die Wahrheit sagte, nach der ich gesucht hatte. Es war das letzte Mal, dass ich mit ihm sprach. Aber er war seitdem doch immer bei mir gewesen … und das wird er immer bleiben. Ob gut oder böse und alles, was dazwischen liegt, er wird immer ein Teil von mir sein, und ich von ihm. Wir sind untrennbar miteinander verbunden – wir alle – für immer, werden uns in Schüsseln mit blutigem Wasser waschen und versuchen, warm zu bleiben, während Schneeflocken von rissigen Zimmerdecken fallen werden. Wir alle waren blinde Mäuse, die plötzlich sehen können.
    Das Verschwinden von Michael Ring ist bis zum heutigen Tag ein ungelöstes Rätsel geblieben.
    Meine Augen suchten den Vorgarten ab. Zunächst war alles was ich sehen konnte Schnee und Eis, das im Mondlicht glänzte. Doch die Dunkelheit, die über mir hing, erschien nicht mehr ganz real.
    Als das Mondlicht weiterwanderte, konzentrierte ich mich mit solcher Anstrengung, dass ich mich selbst eine Sekunde lang als kleinen Jungen sah, der kichernd im Gras herumrollte, während Onkel mich kitzelte.
    »Ich höre nicht auf, bevor du es sagst!«, brüllte er im Spaß und drückte mich an sich.
    »Onkel!«, rief der kleine Junge und lachte. »Onkel!«
    Selbst jetzt höre ich dieses Lachen noch von Zeit zu Zeit.
    Ich vermute, das wird immer so bleiben.

Leseprobe »Die Einsamkeit des Todbringers«

    PROLOG
    Nachts sieht der Ozean anders aus. Geheimnisvoller. Gefährlich.
    Trotz der kühlen Luft treibt eine Nebeldecke sanft an der Oberfläche. Das Wasser bewegt

Weitere Kostenlose Bücher