Saga von Dray Prescot 25 - Spikatur-Zyklus 03 - Die Legionen von Antares
sich nicht die Mühe, nach der Wache zu rufen. Ohnehin hätten die dicken Türen keine Stimmen durchgelassen. Und keine Wächter, keine Adjutanten, niemand durfte den Kartenraum betreten. Man versuchte sich an mir vorbei zur Tür zu kämpfen, um Alarm geben zu können. Das mußte ich verhindern und begann den Schwertgriff einzusetzen, mit dem ich so manchen schlafen schickte. Auch die Frauen kämpften wie Raubkatzen, und da es um das Schicksal ganzer Reiche ging, konnten sie nicht anders behandelt werden als die Männer – was sie auch gar nicht gewollt hätten. Kopfschüttelnd hielt sich Nedfar im Hintergrund. Er umfaßte sein Rapier; doch zeigte die Spitze zu Boden.
Als er und ich uns allein gegenüberstanden, sagte er: »Ich wußte gleich, daß du ein Schwertkämpfer bist, Jak, ein Klingenkämpfer. Nun aber frage ich mich, wer du noch bist.«
»Ich bin dein Freund und Bewunderer, Prinz. Das ist die Wahrheit, Havil – und auch Djan – sei mein Zeuge.«
Er lächelte. Ja, er war ein vornehmer Mann. »Nicht Havil? Du bist also kein Hamalier, wie du uns vorgegaukelt hast?«
»Nein, Prinz. Aber ich bin auch nicht dein Feind.«
»Spikatur Jagdschwert?«
»Nein. Ich bin nicht sicher, ob ich deren Methoden gutheiße.«
»Und du bist hier ...«
»Liegt das nicht auf der Hand?« Ich deutete auf den Kartentisch.
»Ich verstehe. Dann ist es meine Pflicht, dich daran zu hindern.«
»Ich weiß. Und meine Pflicht ist es, mir alles anzuschauen. Was können wir da tun, Prinz?«
»Du nennst dich Jak der Schuß. Hast du dem noch etwas hinzuzufügen?«
»Nein.«
»Dann müssen wir kämpfen.«
»Das finde ich nicht. Ich habe ein Versprechen gegeben – als erstes mir selbst, dann aber auch Tyfar, obwohl er davon nichts weiß, daß ich niemals die Hand gegen dich erheben werde.« Mit langsamer Bewegung senkte ich mein Rapier. Dabei bewegte ich mich Schritt für Schritt auf den Tisch zu. »Ich bin überzeugt, du gehörst zu den Gesichtlosen Neun.«
»Eigentlich dürftest du gar nicht wissen, daß es sie gibt.«
»Daß ich es weiß, müßte dir etwas beweisen. Außerdem würde ich es begrüßen, wenn Thyllis zu den Eisgletschern Sicces einginge und du an ihrer Stelle Herrscher von Hamal würdest. Ich glaube, das ist das Ziel, das ich im Augenblick verfolge.«
»Du redest ...«
»Du solltest dir gründlich überlegen, was das alles bedeutet. Wir sind Freunde, und mir liegt daran, daß es so bleibt. Allein schon wegen Tyfar.«
»Du redest wirr von Dingen, die du nicht wissen dürftest, von Verrat. Thyllis ist meine Kusine ...«
»Zweiten Grades.«
»Kusine zweiten Grades. Ich bin kein Verräter.«
»Das würde ich von dir auch gar nicht verlangen. Nachdem wir sie besiegt haben, wird die Wahl auf dich fallen. Kein anderer hat deine ...«
»Der König, der Herrscher ...«
»Du, Nedfar, du allein, wirst Herrscher von Hamal sein. Jetzt zur Sache. Ich gedenke mir den Kartentisch anzuschauen. Ich werde dich nicht bekämpfen. Also ...«
»Und ich werde dich daran hindern und dich angreifen.«
Inzwischen war ich dicht genug an den Tisch herangekommen, und wartete auf den Augenblick. Dicht genug, um etwas zu unternehmen ...
Als ich lossprang, sagte ich – aus reiner, dummer Angabe, das muß ich zugeben: »Bekämpfen werde ich dich nicht. Aber eins tue ich – dies!«
Der kurze energische Hieb ließ Nedfar zu Boden sacken. Ich schaute auf ihn nieder, bückte mich und nahm meine Main-Gauche vom Boden auf. Die Knöchel meiner linken Hand kribbelten nicht einmal, so gut hatte ich den Hieb berechnet.
Dann wandte ich mich dem Kartentisch zu und studierte die Geheimnisse des hamalischen Oberkommandos.
18
Das Oberkommando Hamals verfügte über keinen genialen Geheimplan, mit dem die Invasionen zurückgeschlagen werden konnten. Es handelte sich um ein geschicktes Propagandagerücht, weiter nichts. Ich umfaßte den Rand des Kartentisches und starrte gierig auf die herausgearbeiteten Konturen, auf das Grün, das Vegetation anzeigte, auf die gewundenen Flüsse und die modellierten Berge, die insgesamt ein Miniaturmodell Hamals ergaben. Hier und dort waren unterschiedlich eingefärbte Kennzeichnungen auszumachen. Diese stellten die vorrückenden Armeen und Luftflotten dar. Und in ihrer Position lag das große Geheimnis.
Die Hamalier hatten ihre Streitkräfte mit Vernunft und Übersicht aufmarschieren lassen. Der Schwerpunkt lag auf der internen Kommunikation, die schnelle Märsche ermöglichte, Konzentrationen vor
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