Sagen aus Franken
Schandfleck, war der Sehützenhof in der »Loudergass«. »Du mit dem Schützeng'sicht,« sagte der alte Nürnberger, wollte er jemand gar arg schimpfen. Die Schützen, worunter man aber nicht Büchsen- oder Armbrustschützen verstehen darf, waren lange Zeit die niedrigste Klasse von Menschen in Nürnberg, sie standen noch weit unter den verrufenen Stadtknechten. Sie waren ehrlos, allgemein verachtet. Man brauchte sie nur zu den niedrigsten Geschäften, als Handlanger der Henker und zum Hinwegschaffen von Selbstmördern oder Verunglückten, kein Bürger konnte von den Schützen vor Gericht geladen werden. Von ihren Vorgesetzten wurden sie mit du angeredet. Kein ehrlicher Mensch, nach damaligen Begriffen bürgerlicher Ehre, mochte sich mit ihnen verschwägern, so konnten sie nur unter sich Ehebündnisse eingehen. Ein eigener Hof in der Ludergasse war ihnen zum Wohnen angewiesen. Bei alledem waren die Schützen, was man so heißt, doch gute Christen; sie besuchten fleißig ihre Kirche, das war die Suden im HeiliggeistSpital; auch eine Schule ausschließlich für die Schützenkinder wurde im Spitalhof errichtet. Die Schützenkleidung war von derbem, grauem Tuch, ohne jeden Ausputzt. Ihr Ursprung ist unbekannt. Im Volksmund hatte sich über sie folgende Sage erhalten: Nach einer Pest und Hungersnot in Nürnberg sollen mehrere verarmte, auswärtige Familien die nachgesuchte Aufnahme in die Stadt um die Bedingnis erhalten haben, daß sie die gemeinsten und niedrigsten Arbeiten verrichten würden. Die Schützen hatten mit dem Henker, dem Fallmeister und deren Knechten im Wirtshaus einen abgesonderten Tisch und tranken aus Gefäßen ohne Deckel. Im Ofenloch, einer Wirtschaft in der Johannisgasse, konnte man sie finden. Einmal, so um die Jahrhundertwende, sahen sie im Schützenhof eine ganz seltene Erscheinung. Ein bildhübsches Mädchen von zehn bis Zwölf Jahren ging dort aus und ein, sang und tanzte in der Gasse und war fröhlichen Mutes. Es war aber kein Schützenkind, es wußte auch niemand, woher es kam, aber die Schützen behielten das Kind bei sich, weil es so fröhlich und wohl anzusehen war. Wer wollte lang Nachforschungen darüber anstellen, woher es stammen konnte? Niemand mochte mit den unehrlichen Leuten Verkehr haben, keiner kümmerte sich draußen darum, was die im Schützenhof unter sich trieben. So blieb das Mädchen im Hof und wuchs dort zur Jungfrau auf; wo man sie in der Stadt kannte, hieß sie kurzweg Schützenliesel Für die jungen Handwerksgesellen war es verlockend genug, wenn die schöne Schützenliesel zur Abendzeit mit ihrem Strickstrumpf um den Stock ging. Sehnsüchtig. oder neugierige, manchmal auch freche Blicke trafen sie überall Einst tanzte man am Jakobskirchweihtag auf dem Plätzchen bei der Kirche. Die Liesl stand von ferne und sah bedrückt auf die fröhlichen Platzmädchen, die da tanzten und sprangen, wie jede das Geschenk von ihrem Platzknecht den Umstehenden entgegenschwang. Eben als sich die Liesl umdrehen und heimwärts gehen wollte, kam ein Bäckerknecht auf sie zugesprungen. Der war fremd und wußte nicht, daß das liebe Mädchen für unehrlich galt Ein so Schönes Mädchen, dachte er, darf nicht zusehen, die muß mit um den Baum tanzen. Er packte sie, und wenn die Liesl sich auch sträubte, es half nichts, mit ein paar kräftigen Rucken war das Paar mitten unter den Tanzenden. Schon einmal hatte der fremde Geselle mit der Schützin den Baum umkreist, da verstummte die Fiedel mitten im Stück. Der Musikant und die Tänzer hatten die unehrliche entdeckt. Alles wich zurück, als ob ein Aussätziger gewagt hätte, mit zu tanzen. Dann fielen böse Worte, sie hörte noch aus dem Durcheinander »Verdammtes Schützenluder« kreischen; da lief sie davon in den Hof, und lange ließ sie sich draußen nicht wieder sehen. So oft auch die Kirchweih wiederkehrte, die Liesl kam nimmer; sie mied überhaupt die ganze Nachbarschaft und ging nur aus, wenn es nimmer anders zu machen war. Die Schützen trieben neben ihren fragwürdigen »Ämtern« noch verschiedene unzünftige Handwerke. Der eine war ein Altreißer oder Hafenbinder, ein anderer versorgte die Schuhmacher mit den Unentbehrlichen Holzzwecken, andere machten Lichterbäume, die, seit der Weihnachtsbaum aufkam, niemand mehr kennt, Goldengel, Hadlrutn und Zwetschgenmänner. Im Winter vergoldeten sie Hasel- und andere Nüsse. Die Liesl brachte es bald zur Meisterschaft in vielen solchen Künsten, das schönste aber waren ihre
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