Sagen aus Franken
Zwetschgenmännlein. Von den Schützen wollte sie keinen zum Mann haben, denn im stillen hoffte sie immer auf einen ehrlichen Mann, wenn sie auch darüber schon in die Jahre kam, wo sich die Kunden vom Markt verlaufen, wie unsere Alten sagten. Doch die Zeit, die alles bringt, aber auch heilt und vergessen läßt im ewigen Wechsel, brachte auch der armen Liesl einen Mann. Die Franzosen durcheilten ganz Deutschland und auch in die damals noch freie, aber verarmte, vor dem Bankrott stehende Reichsstadt Nürnberg kamen sie in Haufen. Es waren in Nürnberg einst deren so viele, daß oft bei einem nicht allzu wohlhabenden Bürger drei bis vier Mann lagen- und als immer wieder Nachschub kam, ging en nicht anders, auch zu den Armen im Schützenhof wurde ein Franzose ein Sergeant, gesteckt. Marodig) hungrig, mit zerfetzter Montur und keinem ganzen Hemd auf dem Leibe zog er in den Schützenhof ein. Doch schon nach etlichen Tagen sah man ihn ausrücken, gewaschen, geflickt, in ganzer Montur und mit heilen Schuhen. Wem der Franzose am meisten seine Verwandlung zu danken hatte, wird nicht schwer zu raten sein. Auch denke ich nicht sagen zu brauchen, wie die Verständigung zwischen der Liesl und dem Franzosen vor sich ging, denn Liebe vermag alles. Im Schützenhof lebten nun zwei recht glückliche Menschen; die Liesl mit Ihrem Herzenssschatz, dem Franzosen. Sonntags sah man die beiden miteinander »auf das Lande« spazieren gehen. Die Liesl erschien mit ihm immer recht zierlich und sauber, sie drehte sich am Arm ihres Franzosen wie der Nachmittagskaffee im schönsten Kochen. Es war ein malerisches Bild. Die Liesl in ihrer großen, gestärkten, blendend weißen Rassapasseriehaube, mit den schönen schwarzen Schmachtlocken an den Schläfen, der kurzen, groß geblumten Kattunschaube und einem bunten Kattunkamisol war wirklich adrett. Ihre kleinen Füße, in weißen Strümpfen mit gestickten Zwickeln, in zierlichen und hohen Stöckelschuhen steckend, setzte sie beim Gehen auswärts, nach französischer Manier, ganz so, wie es die Damen in der Heimat des Franzosen hielten. Der Franzose, war nicht minder herausgeputzt. Angetan mit dem Seitengewehr, trug er noch einen zierlichen Spazierstock in seiner Linken; im Mundwinkel einen kleinen tönernen Pfeifenstummel, einen so genannten Nasenwärmer. Am Brustlatz hing ein hübscher Tabaksbeutel, gefüllt mit aromatischem Kraut, das die Nürnberger »Lauswenzel« für Wenzeslaus nannten. Ein lebendiges Eichhörnchen saß bald auf einer seiner Schultern, bald auf dem Arm der Braut; es war an einem feinen Kettchen aus Messing angelegt. Viele Französische Soldaten führten solch ein Tierchen mit sich; es sollte Glück bringen, und sie erzählten allerlei Wunderliches darüber. Beinahe sechzehn Wochen hatte der Franzose Quartier im Schützenhof. Im stillen bedauerten die Nachbarn das überglückliche Mädchen denn über Nacht konnte Marschordre kommen, und die schöne Zeit war dann wohl für immer vorüber. Wirklich kam auch bald das Gefürchtete, doch freudig begrüßt von den Bürgern Nürnbergs, die schon lange saure Gesichter schnitten. Die Franzosen zogen ab. Doch die Heiratslustige hatte lange zuvor ihre ?Pläne gemacht und allerlei geschickte Vorbereitungen tu gutem Gelingen. Kein einziger französischer Soldat war mehr in der Stadt, nur im Schützenhof saß noch einer und schusterte in einer Altreisser-Werkstatt, als wäre er dort geboren. Die Liesl hatte den großen Napoleon um einen Soldaten geprellt. Im Stadtregiment wußte kein Mensch davon. Schon Wochen vor dem Abmarsch hielt die Liesl ihren Franzosen versteckt; der Sergeant des Kaisers hatte sich in den Gesellen des Schuhflickers verwandelt. Der Liesl schien diese Abgeschlossenheit auch aus anderen Gründen gut und heilsam, hatte sie doch noch vieles an ihm zu bessern. Er war nicht wenig verwildert, und weil es die Liesl für nötig hielt, mußte er auch ihrem Gott sich näher bringen, denn fluchen und gotteslästerliche Reden führen, das durfte ihr zukünftiger »ehrlicher« Mann nimmermehr. Bei jeder Gelegenheit sagte sie ihm, er könne doch deutlich genug sehen, wie gut es Gott mit ihm bisher gemeint habe; schon längst könnte er draußen auf der Landstraße verkommen liegen oder in fremder Welt auf dem Schlachtfeld geblieben sein.
Der Franzose mußte sich bequemen, den Morgen- und Abendsegen mit zu beten, und durfte bei dem Mittagsgebet nimmer auf die Seite gehen, und an den Fenstern mit den Fingern zu trommeln, bis das Gebet
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