Sagen aus Hessen
Krieg bevorsteht, so zieht er von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort Schnellerts bei grauender Nacht aus, begleitet von seinem Hausgesind und schmetternden Trompeten. Er zieht durch Hecken und Gesträuche, durch die Hofreite und Scheune Simon Daum's zu Oberkainsbach bis nach dem Rodenstein, flüchtet gleichsam als wolle er das Seinige in Sicherheit bringen. Man hat das Knarren der Wagen und ein ho! ho! Schreien, die Pferde anzutreiben, ja selbst die einzelnen Worte gehört, die einherziehendem Kriegsvolk vom Anführer zugerufen werden und womit ihm befohlen wird. Zeigen sich Hoffnungen zum Frieden, dann kehrt er in gleichem Zug vom Rodenstein nach dem Schnellerts zurück, doch in ruhiger Stille und man kann dann gewiß sein, daß der Frieden wirklich abgeschlossen wird. Ehe Napoleon im Frühjahr 1815 landete, war bestimmt die Sage, der Rodensteiner sei wieder in die Kriegsburg ausgezogen.
Ruine Hollende im Lützlergebirge
Eine Stunde nordwestlich von Warzenbach befinden sich am Nordabhang der Koppe die Ruinen der Burg Hollende. Auf dieser Burg wohnte im 11. und 12.Jahrhundert das mächtige althessische Grafengeschlecht der Gisonen. Graf Giso IV. erbte 1121 durch seine Gemahlin von Werner von Grüningen die Grafschaft Gudensberg, und seine Tochter Hedwig vererbte 1123 seinen ganzen Besitz an den Grafen Ludwig von der Wartburg. Dadurch kam Hessen an Thüringen, mit dem es bis 1247 verbunden war. Im engen Wiesengrund, der sich am Fuß des Burgberges von Hollende hinzieht, befand sich einst ein tiefer Brunnen. Der letzte Ritter der Hollende lebte mit seinen ritterlichen Nachbarn in steter Fehde. Er war ein steinreicher, habgieriger Kauz. Lüstern nach seinen Schätzen, bestürmten die Feinde seine Burg, drangen durch das zerbrochene Tor und dachten den alten Fuchs in der Falle zu haben. Er war aber durch ein geheimes Pförtchen rechtzeitig entschlüpft und mit seinen Schätzen den Berg hinabgelaufen. Unten schwang er sich auf ein Pferd, das auf der Wiese weidete, und dachte sich auf ihm mit seinem Schatz zu retten. Doch die Feinde hatten ihn bemerkt, jagten hinter ihm her und hatten ihn bald eingeholt. Zähneknirschend stand er ein Weilchen unschlüssig. Aber er will sein Geld nicht lassen, und mit verzweiflungsvollem Aufschrei stürzt er sich samt den Schätzen in den unergründlich tiefen Brunnen hinein. Darin ist er noch jetzt und hütet seinen Schatz. Sonntagskinder haben ihn unten gesehen. Schwer gepanzert von Kopf bis zu Fuß, schaut er mit glühenden Augen unverwandt auf sein gleißendes Gold. Bauern haben wiederholt versucht, den Schatz zu heben. Es leuchtete und flimmerte ihnen ganz nahe an der Oberfläche des Wassers entgegen. Sobald sie aber gierig die Hand danach ausstreckten, sank die ganze Herrlichkeit in die Tiefe zurück. Ein schwacher Born ist noch heute an jener Stelle, er heißt der Geldborn.
In geweihten Nächten wandelt ein Ritterfräulein durch die Wiesen des Auetälchens bei der Hollende und streut Schlüssel und Weizenkörner aus. Zwei Mäher fanden solche einst in früher Morgenstunde, und sie sahen auch das Fräulein, das rasch im Waldesdunkel verschwand. Der eine Mäher, ein leichter, lustiger Gesell, warf spottend die rostigen Schlüssel und dürren Weizenkörner in den Bach; der andere aber, eine ernste, sinnige Natur, trug die seinigen heim und legte sie in seine Truhe. Als er diese am andern Morgen öffnete, blinkte es ihm wie eitel Gold entgegen, und als er näher zusah, fand er wirklich goldene Schlüssel und goldene Weizenkörner. Er wurde der reichste Mann im Land. Später haben noch viele Leute, die auch gern reich sein wollten, dort nach Schätzen gesucht; doch ist ihnen nie das Edelfräulein erschienen.
Schatzgräberei am Frauenberg
Die Leute glauben, am Frauenberg bei Marburg liege ein großer Schatz verborgen. Einst verabredeten sich drei Männer aus Weidenhausen, ihn zu heben. Sie bedurften dazu aber einer Wünschelrute, das ist ein Haselstock, der wie eine Gabel ausläuft und am ersten Advent um Mitternacht auf der Landesgrenze gebrochen werden muß. Die drei Männer warteten also den Advent ab und verschafften sich dann zunächst den Zauberstab. Darauf gingen sie in einer Nacht nach dem Frauenberg und nahmen sich fest vor, daß keiner ein Wörtchen reden Sollte, es möge kommen, was da wolle. Mit Hilfe der Wünschelrute fanden sie bald den Ort, wo sie zu suchen hatten, fingen an zu graben und stießen bald auf einen großen kupfernen Kessel. Der war aber so schwer, daß
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